Hier wohnt… #49

… man im Biergarten

Tief in den Glockenberg hinein ragte der Felsenkeller der Sturms Brauerei, wo der schmackhafte Gerstensaft bei gleichmäßiger Temperatur in Ruhe reifen konnte. Darüber erstreckte sich der idyllische Sturm’sche Biergarten, in dem die Coburger ab Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Seidla endlich auch im Sommer im Freien genießen konnten.

Der Biergarten umfasste ein riesiges, mit Bäumen gesäumtes Hanggebiet, welches sich von der Alexandrinenstraße über die gesamte Marienstraße bis hin zur Hohen Straße erstreckte. Der ideale Ort für einen Biergarten, das dachte auch Anton Sturm, als er hier eine Gaststätte im Grünen errichtete. Bis heute erinnert die 1859 erschlossene und bis heute so benannte Sturmstreppe daran, dass man einst auf diesem Wege in Richtung Feierabendbier kam. Anton Sturm heiratete 1833 Johanna Obenauf und zog mit seiner Frau in das Haus des Schwiegervaters in der Ketschengasse 15.

Das Haus besaß ein Brau- und Schankrecht und dem jungen Anton machte diese Arbeit Spaß, so dass er sich neben seinem Hauptberuf, er war Weber, bald auch vollständig um die Schenke kümmerte. In einem der vier städtischen Brauhäuser braute er die Würze für sein Bier. In Holzbottichen schleppten die Brauer diese Würze in ihre Keller. Erst hier setzte man Hefe zu und es kam in wochenlanger Reifung zu einer schmackhaft en Vergärung. Eine Verordnung der Herzoglichen Landesregierung setzte sogar den Bierpreis fest und regelte den Verkauf, den die Polizei zu überwachen hatte. Bemerkenswert. Weil den Coburgern das Gebräu aus der Ketschengasse so gut schmeckte, expandierte Anton Sturm und ersann die Idee eines Biergartens. Nun konnten die Einheimischen das Sturmsbier in der Schänke in der Ketschengasse und im Sommer im Sturmsgarten genießen. Später kam sogar noch eine Kegelbahn dazu. Auch Herzog Ernst II. kam regelmäßig mit den Herren des Hofes hier zusammen.

Und Anton Sturm wollte weiter expandieren. Um die wachsende Nachfrage der Coburger Wirte bedienen zu können, plante er anstelle seines Kellerbiergartens eine Brauerei zu eröffnen. Der Widerspruch kam prompt und endgültig. Weder die herzogliche Regierung noch die Nachbarn konnten sich mit dieser Idee anfreunden und so entstand 1873 die Brauereianlage in der Callenberger Straße. In der Folgezeit entstanden hier am Glockenberg, mitten im ehemaligen Kellerbiergarten, wunderschöne Villen und Wohnhäuser.

Die Grünfläche wurde nach der Schließung des Biergartens parzelliert und veräußert. Kaufleute, Regierungsräte und Direktoren zogen sich hier nahe der Stadtmitte ins Grüne zurück – an den Glockenberg, der seinen Namen von der ehemals dort ansässigen herzoglichen Glockengießerei hat. Heute haben sich Familien auf dem Grund des ehemaligen Sturmsbiergarten niedergelassen. In der Nummer 6b Julia und David Lindner mit ihrer kleinen Tochter. Bis es soweit war und die Familie ihre frisch saniert Villa an der Sturmstreppe beziehen konnte, war viel Handarbeit nötig. An die vier Tonnen Bauschutt mussten aus dem 1934 erbauten Haus herausgeschafft werden. Obwohl es eigentlich schon leer war. Und auch der Gartenhang zur Sturmstreppe hin stellt die Bauherren vor Probleme. Schweres Gerät kann hier nirgendwo parken, deswegen wird noch nach einer Lösung für diesen Bereich des Grundstücks gesucht. Der Zugang vom Glockenberg her ist raffiniert gelöst mit einem neu angelegten Weg, der bergabwärts führt. Direkt zu der herrlichen Südterrasse, auf der die neuen Besitzer ihr Feierabendbier ganz in der Tradition dieses Ortes genießen können.

Der COBURGER feiert 2022 Doppeljubelläum: 50/10. Seit der ersten Ausgabe erzählen wir in „Hier wohnte…“ die Geschichten Coburger Häuser. Wir waren schon oft in der Alexandrinen- oder Hohen Straße gleich in der Nachbarschaft . Am Glockenberg selbst waren wir allerdings, stellten wir erstaunt fest, mit dieser Ausgabe 49 zum ersten Mal zu Gast.

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