Gab’s bei Ihnen früher in der Schule auch diese Poesiealben? Hatten meistens die Mädchen. Das waren dann so kleine, meist rosafarbene Büchla, die sie ihren Freundinnen und Klassenkameraden, manchmal auch Lehrern mitgegeben haben, damit die was Schönes, Erbauliches oder auch einfach nur was Nettes reinschreiben sollten. Meistens waren das dann so harmlose Sprüche wie: „Mach es wie die Sonnenuhr, zähl‘ die heiteren Stunden nur!“ oder gut gemeinte Ratschläge und Lebensweisen wie: „Wer fragt, ist ein Narr für fünf Minuten. Wer nicht fragt, bleibt ein Narr für immer“. Ganz ehrlich? Do wird dem Monaco fei ganz weh ums Herz, gell! Gerade in schweren, düsteren Zeiten ist doch ein passender Aphorismus oder ein schöner Kalenderspruch was Feines. Des hat sowas Tröstendes und behütend Müdderliches, finden Sie net?
Wie ich drauf komm‘? Seit uns diese “Coronakrise” in Atem hält, hat Zuspruch jeder Art Hochkonjunktur. Man könnte fast meinen, jeder hat jeden jetzt erst so richtig lieb. Jetzt, da man niemanden mehr in den Arm nehmen, ja sich nicht mal mehr mit ihm oder ihr auf einen Kaffee treffen darf, ist der Wunsch besonders ausgeprägt, seinem Gegenüber zu sagen, wie sehr – oder fränkisch: „arrch“ – man ihn gern hat. Ein Herzchen hier, ein Umarmer-Smiley da – das Netz und vor allem die Social-Media-Kanäle sind voll von solchen Liebes- und Sympathiebekundungen. Und selbst wen man nicht mag, bedenkt man momentan mit einem wohlgemeinten „Bleiben’s g’sund“ oder „passen’s auf sich auf, gell!“ Auf einmal gründen sich Hilfsprojekte, im Stadtteil bieten junge Bärschla den Senioren, die sie zuvor nur für dadderige olde Leit gehalten und sie ned amoll ignoriert haben, Einkaufsdienste und Haushaltshilfe an, Geschäftsleute werden zu Dienstleistern und Vermieter zu Wohltätern. Vor ein paar Wochen wäre das noch undenkbar gewesen.
Noch unglaublichere Dinge passieren in der Politik! Noch nicht so erstaunlich ist, dass man dieser Tage nichts, aber auch gar nichts von der AfD hört. Denn auch noch die Coronaepidemie auf Angela Merkel zu schieben, wäre dann wohl doch zu durchsichtig. Und Konzepte hat diese Gruppierung bei wichtigen Fragen ohnehin keine – noch nie gehabt. Dafür arbeiten gerade Politiker über fast alle Parteigrenzen hinweg Hand in Hand an Problemlösungen und der Bereitstellung von Milliardenhilfen, selbst tausendprozentige Neoliberale stellen die Gesundheit von Menschen plötzlich über wirtschaft liche Interessen, und Markus Söder entpuppt sich tatsächlich als umsichtiger, entschlussfreudiger Krisenmanager. Ob Sie’s glaub’m oder ned: Der Monaco hod sogar erstmols an Facebook- Post von unserm Ministerbräsidändn geliked. „A Hund isser scho“, wie ma‘ so schee sochd. Des hatt’s echt noch nie geh’m!
Ja, und sonst so? Ausgangsbeschränkung und Kontaktsperre hatten jeden von uns im Griff . Dafür war endlich mal Zeit für Dinge, die sonst immer auf der Strecke bleiben: im Garten arbeiten, lesen, mit alten Bekannten telefonieren. Ja, telefonieren! Manch einer hatte ja schon vergessen, dass man das mit diesem Smartphone auch kann! Und hey, es dudd goar ned weh! Was das Wischkästla leider nicht ersetzen oder kompensieren kann, sind die direkten zwischenmenschlichen Kontakte. Und was man nach so kurzer Zeit nicht alles vermisste! Die sprichwörtlich freundliche Herzlichkeit der Münchner Verkäuferinnen und Bedienungen zum Beispiel ging dem Monaco regelrecht ab – ob nun im Zeitungskiosk („Sie, des is koa Bibliothek hier, sondern a Zeitungsladen! Lesen kenna’s daheim“), im Kaufh aus („Konn i eana häifen? Gäi, dass Sie da nix anfassen!“) oder im Café („bittschön, Ihr Capucchino. Oba wenn fei aaner kimmt und aa an Kuch’n wui, miassen’s fei da aufsteh‘, gäi?!“). Und umgekehrt? Sollen die Münchner ruhig denken, dass das bescheidene Leben in der Kleinstadt oder auf dem Land schon vor Corona vielerorts so ruhig war, dass die Leute kaum einen Unterschied bemerkten. Moralisch und charakterlich waren die Franken nämlich wieder mal klar im Vorteil. Der typische Franke ruht in sich, freut sich, wenn er „sei heilige Ruh‘ hat und kann auch gut mal ohne seinen Stammtisch, die wöchentliche Schafkopfrunde und den liebgewonnenen Ratsch beim Bäcker oder auf dem Wochenmarkt aushalten.
Was der Monaco hier wie da vermisst, ist das Ausgehen: Keine Wirtschaft und kein Biergarten hat offen, es gibt keine Konzerte, kein Theater, kein Kino, kein Kabarett – als geselliger Mensch und Kulturfreund bist verradzd und die Zeit kann lang werden. Selbst eine Millionenstadt wie München erscheint ohne das ansonsten ja kaum zu überblickende Angebot plötzlich kaum weniger provinziell als Schweinfurt oder Forchheim – ohne diesen Städten zu nahe treten zu wollen! Eine Erkenntnis dieser Tage ist deshalb: Wenn alle daheim hocken, isses überall gleich langweilig. Mit dem Unterschied, dass in München die Mieten trotzdem noch doppelt und dreifach so hoch sind!
Glücklich deshalb, wer in seiner Schulzeit ein Poesiealbum hatte, es aus dem Dachboden holen und ein bisschen darin schmökern, sich ablenken und aufmuntern lassen kann! Vielleicht steht ja sogar ein Spruch drin, der in Krisenzeiten wie diesen wirklich weiterhilft ?! „Ein Augenblick der Geduld kann vor großem Unheil bewahren, ein Augenblick der Ungeduld ein ganzes Leben zerstören“ wäre so einer. Und wer kein solches Album hatte, dem hilft ja vielleicht ein Kalenderspruch. So wie diesen englischen, den der Monaco gefunden und ganz leicht abgewandelt hat: “Coff ee keeps me busy until it‘s time for mei Seidla“? Ich find‘, der machert sich gut in jedem Poesiealbum!
Schätzla, schau wie iech schau!
Für den COBURGER von Wolfram Porr