Koch

Neue Hand am Löffel #15

Chefwechsel in der Traube

Neue Hand am Löffel

Ein Bauernkind

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Die Goldene Traube in Coburg ist Oberfrankens einziges Sternerestaurant. Das klingt erst einmal nach großer weiter Gourmetwelt, ist vor allem aber auch Verpflichtung. So ein Stern nämlich ist wie ein Titel im Sport: Ihn zu holen, kann gelingen, ihn zu verteidigen, ist schwer. Das soll seit März ein neues junges Team in der Küche schaffen: Johannes Bischof als zweiter Mann am Topf und Steffen Szabo, neuer Küchenchef, nachdem Stefan Beiter nach sieben Jahren in Coburg eine neue Aufgabe übernommen hat.

Küchenchef mit gerade mal 25? Kann das funktionieren? Ja, das kann nicht nur, aus Sicht der Traube sollte das auch, und wenn man den hochgeschossenen hageren jungen Mann mit dem stechenden Blick vor sich hat, auf seine zwar kurze, aber schon eindrucksvolle Vita schaut und sich von ihm aus seinem Leben erzählt lässt, dann weiß man, das muss auch, nein, das wird auch funktionieren.

Ein Bauernkind

Stefan Szabo nämlich hat Einiges, was ihn antreibt, zu den Besten seines Faches zu gehören. Seine Kindheit zum Beispiel, ohne jetzt gleich „Küchenpsychologie“ betreiben zu wollen, Szabo nämlich hat das, was man so landläufig und was er auch selbst als „schöne Kindheit“ bezeichnet. Ein Bauernkind sei er gewesen, erzählt er, aus Weigenheim, einem Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Uffenheim im Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim. Um die 1000 Einwohner, „Gabatzer“ nenne man die Menschen im „Grenzgebiet“ von Mittel- zu Unterfranken, sagt er mit sichtbarem Stolz, und wir müssen uns das Wort buchstabieren lassen. „Das war unser Gau.“ Ein gutes Miteinander, eine Dorfgemeinschaft im besten Sinn, Uffenheim das Zentrum. Eine geordnete Welt. Die Mutter ist Hauswirtschafterin, der Vater Polizist (das habe er sich auch mal angesehen, „das war aber nicht meines“). Die eine Oma kommt aus Böhmen, „mit ihren Knödeln bin ich aufgewachsen“, dazu die typische „Gabatzer“ Küche: „Pasta schudda“, eine rustikale Version der Spaghetti Bolognese mit viel Tomatenmark, oder Hähnchenschlegel, oder „Hefebolli“ mit Vanillesoße oder – Achtung Kontrastprogramm – Schlachtschüssel, „die kann ich seither aus dem FF“, natürlich nicht ohne vorher selbst zu schlachten. Irgendwie sei das für seine damalige kleine bäuerliche Welt schon ganz schön multikulti gewesen. Und so kocht auch der kleine Stefan schon ganz gerne.

Ein Trauma

Klein ist er wirklich, lange Zeit, zu lange, und das wird bei aller beschaulichen Geborgenheit irgendwann zum Trauma für den Heranwachsenden. Schüchtern ist er, der 1 Meter 65 große Stefan. Damit aber will er sich nicht abfinden. Er will die mittlere Reife nachholen, er will zeigen, was er kann, er besiegt seine Schüchternheit und jobbt im Restaurant Landwehrbräu in Reichelshofen vor den Toren von Rothenburg ob der Tauber, „damit ich mit Leuten in Kontakt komme, meine Ängste besiege.“ Die Eigentherapie geht auf, Szabo gewinnt Selbstbewusstsein, erst recht, als der Chef ihm damals anbietet, eine Lehre zu machen. „Das hat mir wahnsinnig gut getan.“ Stefan beginnt eine Lehre zum Hotelfachmann mit Schwerpunkt Restaurant und wird dann zwei Jahre zu Koch ausgebildet. Nie vergisst er, wie der stellvertretende Küchenchef ihn damals an der Hand nimmt und ihm sagt: „Du kannst im Leben alles schaffen, aber vergiss nie, woher Du kommst.“ Das sei ein Schub für ihn gewesen. Mittlerweile ist aus dem schmächtigen Bürschchen ein Kerl mit 1 Meter 94 Körpergröße geworden, zu dem auch wir aufschauen. (Zum Glück haben wir einen Sitzplatz in der Bar der Goldenen Traube eingenommen.)

Ein Mentor

Voller Mut und Selbstbewusstsein verlässt Szabo jetzt mehr und mehr die gewohnte Heimatscholle. Er geht zunächst ins immer noch benachbarte Dinkelsbühl in ein Tanz- und Wellnesshotel mit Buffets für bis zu 1600 Personen. Dadurch lernt er den wahrhaft industriellen Charakter einer Großküche kennen. „Das kann man sich als Gast gar nicht vorstellen, was für ein Aufwand das ist.“ Für ihn aber sei das nichts gewesen, er wollte kochen, sehr gut kochen. So wechselt er nach einem halben Jahr nach Schloss Ellmau. „Wenn Du in der Gastronomie etwas erreichen willst, musst Du zum Herumreisen bereit sein.“ Auch dort habe er, auch das zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben, einen Mentor gehabt. Ein Schwabe, ein Koch vom alten Schlag, und das kann man, ohne dass Stefan mehr verrät, wohl auch fast wörtlich nehmen. Der habe gleich am Anfang gemeint, „entweder Du wirst wie ich oder Du lässt das Kochen bleiben“, habe ihn am ersten Tag an einen Posten in der Küche ganz alleine gestellt und dann, als das schiefging, „richtig losgelegt“, der habe immer Gas gegeben, „dieser Hüne mit über 2 Meter Körpergröße“, von ihm er alles gelernt, Disziplin, Kochen, Durchhaltevermögen. „Der hat genau gewusst, was er macht.“ Noch heute haben die beiden Kontakt.

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Ein Wechsel

Szabo nämlich zieht nach einem Jahr weiter. Dieses Mal wechselt er in die Oberpfalz, ins Landhotel Birkenhof nach Neunburg vorm Wald zu Hotelier und Gourmetkoch Hubert Obendorfer. Einen Stern und 17 GaultMillau-Punkte habe man dort gehabt. Auch dieser war wieder ein Mentor auf seinem Lebensweg, ein Mensch, ein Koch, der ihn weitergebracht habe, der sein Talent sah und ihm dann die Türe nach Coburg öffnete – man kennt sich in der Branche, Beiters Weggang machte die Runde. Nach drei Jahren in der Opferpfalz also der Umzug in die Vestestadt als Küchenchef der Goldenen Traube mit ihrem Sternerestaurant „Esszimmer“ und dem Victoria Grill mit dem neuen Konzept „Sushi & Wine“. „Mein Anspruch ist es schon, dass wir den Titel verteidigen“, sagt Szabo selbstbewusst, der erste Tester einer Fachzeitschrift sei schon da gewesen, inkognito natürlich, er habe ihn aber erkannt und gleich angesprochen, schmunzelt der 25jährige. „Es ist ganz gut gelaufen“.

Ein Kreativer

Seine Küche ist regional geprägt, oft lässt er sich vom Angebot auf dem nahegelegenen Wochenmarkt kreativ inspirieren. Beispiel? „Rote Beete vom Markt haben wir kürzlich nicht als Beilage, sondern als Dessert mit weißer Schokolade und Himbeeren serviert.“ Außerdem gebe es so gutes Schwarzbrot hier wie nirgendwo sonst. „Das kannst Du nie selbst besser machen.“ So landet das dann auch mal auf der Karte im Sternerestaurant. „Als Blutwurstbrot“, eine Hommage an seine Vergangenheit auf dem Bauernhof. Darüber hinaus aber gebe es im Sternerestaurant neben dem regionalen ja auch immer ein internationales Menü. Und dann noch das Sushi-Restaurant im Victoria-Grill. „Das war für mich schon eine neue Herausforderung.“

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Ein Ziel

Doch auch dieser stellt er sich, zusammen mit seinem Stellvertreter Johannes Bischof und dessen großer Erfahrung in Sternküchen, und als Chef von 9 Mitarbeitern, will schon jetzt sein Wissen weitergeben, mit gerade mal 25. Man traut es ihm zu, dass er ein Team formt, dass sich seine Küche herumspricht. „Ich will immer Höchstleistung bringen, das habe ich so gelernt.“

Wenn er dann spätabends nach Hause kommt, lässt er die große Küche im Hotel. Dann gibt es meistens das, was er seit seiner Kindheit kennt: Ein einfaches Vesper.

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