Torte

Abendessen im Copyshop? #19

Bild Fleisch in Petrischale

Echtes Fleisch, das nie gelebt hat
Quelle: www.independent.co.uk

Bild gedruckte Nudeln

Barilla testet den Nudeldruck
Quelle: www.twitter.com

FOODPRINTER – DIE REVOLUTION DER NAHRUNGSMITTELINDUSTRIE

Das Handy? Kein Mensch will immer erreichbar sein. Das Internet? Wird sich nicht durchsetzen. Das Auto? Ist nur laut und stinkt. Alltagsprodukte von heute waren früher Spinnereien. Und so behaupten wir: Der Lebensmitteldrucker der Gegenwart wird in der Zukunft in Restaurants und in der ein oder anderen Küche dazugehören wie Backofen, Herd und Mikrowelle. Vielleicht wird er sogar dafür sorgen, dass immer mehr Menschen überhaupt genug zu essen haben.

ZWEI MINUTEN FÜR EINE NUDEL

Die Anfänge jedenfalls sind gemacht. Es gibt Foodprinter, die Essbares ausspucken. Keine kompletten Menüs, keine komplizierten Gerichte, aber immerhin: Bedrucktes Esspapier zum Beispiel gehört schon zur Tagesordnung, kleine Verzierungen, Figürchen, Dekorationen oder Formen aus einer Masse wie Marzipan, Zucker oder Kartoffelbrei. Aber auch leckere Pfannkuchen. Den „PancakeBot“ kann man sich schon für knapp 300 Dollar bestellen. Die Druckerpatronen dazu kosten noch einmal 30 Dollar. Auch Nudeln werden schon gedruckt. Dauert allerdings, daher ist der „Pasta-Printer“ von Barilla auch noch nicht käuflich zu erwerben: Wenn man auf eine einzige Nudel zwei Minuten wartet, kann einem schon fast der Appetit vergehen. Ein Pizzadrucker aus dem Jahr 2013 hat es bisher auch noch nicht zur Serienreife geschafft, weil die NASA die Fördergelder für das Forschungsprojekt abzog. Eigentlich nämlich waren die gedruckten Pizzas für Astronauten gedacht. 2015 gab es das erste Kunstfleisch aus dem Drucker. Google Gründer Sergey Brin leistete sich den 300 000 Euro teuren Spaß. Er möchte den Hackdrucker zum Geschäft machen. Ein paar Jahre aber soll es noch dauern.

PROTEINE AUS DER KARTUSCHE

Das mag alles wie Spielerei klingen, aber klar ist: Wo sich so viel Geld verdienen lässt wie in der Lebensmittelbranche, da gibt es auch ausreichend wirtschaftliches Interesse an Innovationen, mit denen sich Unternehmen ein großes Stück vom Kuchen sichern. Alleine in den beiden größten Lebensmittelmärkten weltweit, China und den USA, lag das Marktvolumen im vergangenen Jahr nach einer Schätzung bei etwa 2,7 Billionen US-Dollar, in Deutschland bei 300 Milliarden. Gegessen wird immer. Nahrungsmittel sind krisensicher, solange es die Menschheit gibt. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, welches Potential und welche Sprengkraft hinter diesen Zahlen steckt: Milliarden Haushalte weltweit, die sich zwar einen Drucker, aber keine Küche mehr kaufen. Das Ende der großen Supermärkte, weil künstlich hergestellte Nahrungsmittelbausteine wie Proteine, Kohlehydrate, Ballaststoffe, Fett, Vitamine und Mineralstoffe jetzt als Druckerkartuschen frei Haus geliefert werden. Arbeitslose Köche, weil ihre Jobs jetzt von Robotern erledigt werden. Das Ende der Massentierhaltung, weil Fleisch nicht mehr gelebt haben muss, bevor man es verzehrt. Spinnerei? Vielleicht. Aber fährt heute noch jemand Kutsche? Schreibt noch jemand Schreibmaschine? Übermittelt heute noch jemand seine Nachrichten mit dem Morsealphabet? Und wer geht noch in die Bibliothek, wo man doch alles im Netz bekommt?

AUTOMATISIERTE SPRITZBEUTEL

Freilich, noch lassen die großen Player aus der Nahrungsmittel- und Druckindustrie die Arbeit vor allem die kleinen machen: Einzelne Entwicklerteams rund um den Globus, Start-Up-Unternehmen, die an der Zukunft des Essens basteln. So wie das Freisinger Unternehmen „Print2Taste“ aus Freising, eine Ausgründung aus der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, finanziert über Crowdfunding. Das junge Team hat hierzulande in den letzten Monaten am meisten auf sich aufmerksam gemacht und ist wild entschlossen, aus dem Druck von Nahrungsmitteln ein Geschäft zu machen. Das Motto „Wir bringen Lebensmittel in Form … und machen natürliche Lebensmittel druckbar“ deutet allerdings schon darauf hin, dass es sich aktuell noch mehr um automatisierte Spritzbeutel handelt als um ein Gerät, das vollwertige Mahlzeiten serviert. Es geht denn auch mehr um „das kreative und personalisierte Gestalten von Lebensmitteln in Profiküche, Catering, Konditorei und Bäckerei.“ Zurzeit aus Marzipan oder aus Choco. Die nächsten Lebensmittel sind schon angekündigt: Cassis und Nougat. Bis zu 40 Lebensmittel sind vorgesehen. Auch Wurst oder Milch seien möglich, heißt es. Zukunftsmusik. Ein Anfang aber ist gemacht. Und vor allem hat das junge Team aus Freising ein Gesamtpaket geschnürt, das bisher einmalig ist: So rühmt man sich für seine ganzheitliche Plug & Play Lösung aus Drucker mit browserbasiertem intuitiven Userinterface und der weltweit ersten voll integrierten 3D Food Printing Webplattform. Den kompletten Herstellungsprozess und nicht nur den Drucker alleine im Auge zu haben, ist für den Erfolg auf dem Markt auf jeden Fall von Vorteil. Und so lobt zum Beispiel Karl Eisenrieder von der Conditorei Münchner Freiheit:
„3D Food Printing ist die natürliche Weiterentwicklung des Handwerks.“ Der personalisierte Gruß aus der Küche, der Bräutigam in Marzipan auf der Hochzeitstorte, süße Firmenlogos, dafür muss sich keiner mehr die Hände schmutzig machen.

ZEHN MILLIARDEN HABEN HUNGER

Visionäre aber erhoffen sich vom Foodprinter weit mehr als ein Gadget für Besserverdienende: Es gibt zwar immer mehr Menschen auf der Erde, aber gleichzeitig immer weniger Flächen zum Anbau von Lebensmitteln. Wie also sollen die im Jahr 2050 bis zu zehn Milliarden Menschen ernährt werden? Schon heute leiden viele hundert Millionen an Hunger. Die neue Technologie könnte dieses Problem lösen helfen, so hoffen Befürworter. Nicht umsonst haben sich auch auf der Expo 2015 in Mailand über 100 Fachleute mit den Chancen von Lebensmitteldruckern zur Versorgung der Erdbevölkerung mit Nahrungsmitteln beschäftigt. Aber auch kranken Menschen oder Menschen mit Unverträglichkeiten oder Allergien könnten Foodprinter helfen, sie gezielt mit Nährstoffen versorgen, leicht kau- und schluckbare Nahrungsmittel herstellen für die 30 Millionen Menschen, die alleine in Europa an Kau- und Schluckstörungen leiden. Doch noch ist es bis dahin ein weiter Weg. Aktuell sind die meisten Drucker zu aufwändig in der Herstellung und zu langsam. Sie scheitern an kompletten Gerichten, sind allenfalls in der Lage, einzelne Zutaten getrennt zu drucken. Auch die Festigkeit der gedruckten Lebensmittel ist eine Herausforderung. Damit eine Masse in eine Form gedruckt wird, muss sie weich sein. Damit sie danach nicht in sich zusammenfällt, aber auch hart genug. Dazu braucht es Zusatzstoffe. Viele kleine Probleme. Wie bei allen Innovationen. Doch die Anfänge sind gemacht. Ob einem das schmeckt, ist eine andere Frage.

Autor: Wolfram Hegen

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