coburger-ungleiche-kampf-1200x668px

Der ungleiche Kampf #24

Der ungleiche Kampf

In der einen Ecke: Die Kritik am Landestheater Coburg. Bestens vorbereitet, handfeste Argumente, schwarz auf weiß: An die sieben Millionen Euro jährlich zahlt die Stadt drauf. Dazu bald Millionen für eine Ausweichspielstätte. Ob acht, zehn oder zwölf – die Stadt wird ein Viertel davon zu tragen haben. Dazu die Sanierung des Landestheaters. Werden es 60, 80, oder 100 Millionen? Auch hier ein Viertel. Was für eine Waffe, um den anderen schwindlig zu prügeln, von Sparwut besessen, bereit für populistische Tiefschläge: höhere Kitagebühren, Buslinien in Gefahr, kein Geld für den Sport auf der einen Seite, auf der anderen Millionen für eine kleine Kulturelite? Schnell kocht die Stimmung im weiten Rund. Und in der anderen Ecke? Das Landestheater Coburg. Seine Waffen: Kultur und Bildung. Das ist nett. Das ist lieb. Das ist schön. Das ist wichtig. Aber in einem Boxring? Wenn einer bereit ist, zuzuschlagen? Dann muss auch der andere aufrüsten. Der Versuch einer Waffengleichheit von Wolfram Hegen.

Aber wie? Ganz einfach: Es gibt andere Städte mit gleichen Problemen. Leipzig zum Beispiel. Gut, die Stadt ist viel größer, hat 540 000 Einwohner, hat Schauspiel, Oper, junges Theater, aber auch dort schlugen sich vor ein paar Jahren Kulturbefürworter und Gegner um die Frage, wieviel Kultur sich die Stadt leisten wolle. Ein Beratungsunternehmen schaltete sich ein. Fusionen oder die Schließung von Häusern wurde diskutiert. Die Befürworter betonten immerzu die immaterielle Bedeutung von Kultur. Wie in Coburg. Eine Entscheidung musste her. Eine Entscheidung auf der Basis von Fakten. Also gab die Stadt Leipzig bei der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig eine Studie in Auftrag zur „Umwegrentabilität der kulturellen Eigenbetriebe der Stadt Leipzig.“ Umwegrentabilität, das meint nichts anderes, als dass der indirekte Nutzen einer kulturellen Einrichtung für eine Region (=Umwegrendite) diese insgesamt rentabel macht – und zwar im wirtschaftlichen Sinn.

Also nahm man zum Beispiel das Schauspiel Leipzig betriebswirtschaftlich unter die Lupe. Das Haus hatte 2016 110.000 Besucher, es liegt damit in einer ähnlichen Größenordnung wie Coburg, das Defizit liegt allerdings um die 15 Millionen Euro, geschultert alleine von der Stadt Leipzig, die außerdem noch 45 Millionen für die Oper ausgibt und 3,5 Millionen für das Theater der jungen Welt. Das Ergebnis der Studie: Alle drei Häuser erwirtschaften dennoch für die Region mehr Geld als sie an Zuschüssen erhalten. Sowohl in optimistischen als auch in pessimistischen Szenarien. Diese Studie haben wir mit Coburger Zahlen gefüllt. Wir haben dabei einige Faktoren der Leipziger Studie, die zugunsten einer noch besseren Umwegrentabilität wirken, weggelassen, weil diese, das räumen auch die Macher der Leipziger Studie ein, aufgrund zahlreicher Annahmen und Hypothesen nur einen Schätzcharakter aufweisen kann und eine Aufstellung daher angreifbar macht.

Wir gehen von den uns genannten 11.100.000 Euro Personalkosten für 270 Mitarbeiter aus, werten aber nur den Anteil der Kosten für die 240 Mitarbeiter in Stadt und Landkreis Coburg. Wir gehen davon aus, dass an jedem Mitarbeiter statistisch 1,5 Familienmitglieder hängen, also er selbst und ein halber. Wir gehen von den uns vom Landestheater genannten Mieten und Energiekosten etc. in Höhe von 570.000 Euro aus, von Kosten in Höhe von 500.000 für Verkehrskadetten, Fotografen, Druckereien, Anzeigen, Reinigung, Statisten etc. Die 1.300.000 Euro Kosten für Gastkünstler, Urlaubsvertretungen etc. sind nicht berücksichtigt, obwohl auch davon ein Teil der Hotellerie, Gastronomie, dem Einzelhandel zu Gute kommt. Wir gehen davon aus, dass etwa die uns vom Landestheater genannten 120.000 Menschen jährlich Vorstellungen besuchen, leider, das wäre eine Anregung für die Zukunft, gibt es keine Aufstellung darüber, woher diese Gäste kommen, bekannt aber ist, dass viele Bamberger, Lichtenfelser und Südthüringer den Weg nach Coburg finden.

Auf dieser Basis also wollen wir Waffengleichstand herstellen, indem sich im Boxring den vielen Millionen Zuschüssen aus der Coburger Stadtkasse an das Landestheater Coburg nicht mehr nur weiche Faktoren wie Bildung und Kultur entgegenstellen, sondern Cash: Erlöse, Umsätze, Wertschöpfung.

Gewinn für die Region Coburg Stadt und Land durch das Landestheater: 736.068 Euro

…und so setzen sich die Zahlen zusammen:

 

Angelehnt an eine Studie zur Umwegrentabilität der kulturellen Eigenbetriebe der Stadt Leipzig der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig aus dem Jahr 2014. Zahlen aus 2016, soweit vorliegend, ansonsten jüngste erhältliche Zahlen. Auf typische Faktoren der Umwegrentabilität wie einen Multiplikator zu „induzierten Ausgaben“ oder einen sogenannten „Tourismusmultiplikator“ der Leipziger Studie ist auf Grund zweifelhafter Vergleichbarkeit der Standorte und ihres starken Schätzcharakters verzichtet worden: Die bei unserer Aufstellung sogenannten „Umsätze“ durch das Landestheater wären sonst weit höher ausgefallen. Der durch Landestheater-Mitarbeiter erbrachte Anteil „kleinerer“ Steuerarten wie Grundsteuer B oder Hundesteuer zum Haushalt der Stadt Coburg ist ebenso nicht berücksichtigt. Auch der Anteil an Gewerbesteuereinnahmen (immerhin mit um die 50 bis 60 Millionen Euro größter Einnahmenblock der Stadt Coburg) durch Ausgaben in Coburger Betrieben, die gewerbesteuerpflichtig sind, ist nicht berücksichtigt. Insgesamt ist der Versuch einer Gesamtbilanz also sehr konservativ angesetzt.

Fazit

Das Landestheater Coburg erwirtschaftet nach dieser Aufstellung für die Region Coburg mehr Geld, als es kostet. Doch darum geht es nicht alleine. Die Aufstellung nämlich ist sicherlich angreifbar, bei allen unseren Versuchen, vorsichtig mit Zahlen zu agieren. Sie ist populärwissenschaftlich. Vielleicht bleibt am Ende nur eine schwarze Null stehen. Vielleicht kann man auch kritisieren, dass die Verluste die Stadt Coburg trägt, die Umsätze ihr aber nur zu einem kleinen Teil über Steuern, Abgaben und Gebühren wieder zu Gute kommen, der große Teil aber der Privatwirtschaft, dem Handel, Dienstleistern, Energieversorgern, Hotels, Gaststätten. Und zwar nicht nur in der Stadt, sondern auch im Landkreis, der sich an den Kosten nicht beteiligen muss.

In Wirklichkeit aber geht um ein Umdenken. Es geht darum, ein Theater nicht nur an seinen Kosten auf der einen, und seinem Bildungs- und Kulturauftrag auf der anderen Seite zu messen, sondern es auch als Wertschöpfungseinrichtung für die Region zu begreifen, und zwar finanzieller Art. Vielleicht würde es helfen, nicht mehr von Kultursubvention zu reden, sondern von Wirtschaftsförderung. Genau um diesen Perspektivenwechsel geht es.

Coburg wäre dumm, vom Landestheater mehr Sparwillen zu verlangen als er bei einer vernünftigen Haushaltsführung ohnehin selbstverständlich sein muss. Coburg wäre dumm, das Landestheater in Frage zu stellen, weil ja auch noch über 5.000.000 Euro jährlich vom Freistaat Bayern nach Coburg fließen. Und für Ersatzspielstätte und Sanierung vorsichtig geschätzt noch einmal etwa 40.000.000 Euro. Das sind Finanzspritzen, um die andere Coburg beneiden. Dazu der nicht monetarisierbare Wert als Standortfaktor für die großen und kleinen Unternehmen vor Ort, für die Attraktivität der Stadt, für ihre Urbanität, ihr Lebensgefühl. Dazu der nichtbezahlbare Werbewert für Coburg als attraktive Kleinstadt durch die überregionale Berichterstattung über das Landestheater.

Das Landestheater ist wertvoll. Sehr wertvoll. Und nicht nur für Kultur und Bildung. Das sowieso. Das ist sein eigentlicher Auftrag.

Alle, die es gut mit Coburg meinen, sollten sich für ihr Landestheater stark machen. Alle.

Ohne Wenn. Ohne Aber.

von Wolfram Hegen

 

    Hinterlassen Sie ein Kommentar

    zwanzig − 5 =