… Bomben
Die Panzer rollten schon durch den westlichen und nördlichen Landkreis. Das pfeifende Geräusch, bevor Granaten einschlugen, war schon zu hören. Und immer wieder die Sirenen, die vor Tieffliegern warnten. Dann mussten schnell verängstigte Kinder gepackt und Zuflucht gesucht werden in den Luftschutzkellern. In klaren Nächten sahen die Coburger sogar das Flakfeuer über Bamberg. Die Front rückte immer näher im Frühjahr 1945. Am 8.April trafen die Granaten viele Gebäude in der Innenstadt. Auch das Haus in der Goethestraße 11.
von Heidi Schulz-Scheidt
Fotos: Val Thoermer
Amerikanische Kampfverbände kamen an diesem Tag aus Richtung der Langen Berge und hatten ein leichtes Spiel. Die deutsche Luftwaffe war in Auflösung begriffen und so hatte die US Airforce die Lufthoheit über der Stadt. Brandbomben entzündeten an diesem Frühlingssonntag an 18 verschiedenen Stellen Feuer. Und während die Brände viele Wohnhäuser zerstörten, hatte die Feuerwehr vor Ort Schwierigkeiten, zu den Bränden vorzudringen. Nicht nur, weil die eigenen Panzersperren im Weg standen, sondern weil es auch Tage danach immer wieder zu Artilleriebeschuss der Stadt und der Veste kam. Eines der bekanntesten Gebäude, das in diesen letzten Kriegstagen in Coburg zerstört wurde, war das Gesellschaftshaus am Ernstplatz 4 in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Häusern in der Goethestraße. Man kann davon ausgehen, dass die amerikanischen Aufklärer gezielt die Parteizentrale der NSDAP ausgesucht haben. War es doch ein weithin sichtbares Zeichen der ehemaligen Machthaber.
Allerdings unfreiwillig. Denn unter der Leitung des damaligen Bürgermeisters Franz Schwede wurde das Haus am Viktoriabrunnen zwangsenteignet und damit für Propagandazwecke missbraucht. Gebaut hatten es sich die Coburger Ende des 19. Jahrhunderts nämlich selbst. Im Bürgertum wuchs damals der Wunsch nach einem Veranstaltungsort für Konzerte und Bälle. Etliche Jahre musste gesammelt werden, bis ein Betrag von 150 000 Goldmark – heute in etwa 1,4 Millionen Euro – zusammen war. Zur Gründung kam ein Aktienverein, kurz „Der Verein“ genannt, dessen Ziel es war, das Gesellschaftshaus zu planen und zu betreiben.
Es entstand eine Gaststätte im Erdgeschoss, Räume zur Vermietung und im 1. Stock zwei große Säle mit eigener Bühne und Sitzplätzen für 450 Personen. Eine bemerkenswerte Initiative. Wie groß muss die Enttäuschung im Jahre 1934 gewesen sein, als der „Verein“ das Gebäude am Ernstplatz an die Adolf-Hitler- Haus-Genossenschaft für 60 000 Goldmark verkaufen musste. In den großen Sälen fanden daraufhin nur noch parteipolitische Veranstaltungen statt. „Sieg Heil“ anstelle „Wochenend‘ und Sonnenschein“. Kurz vor dem Bombenangriff fand im März 1945 ein letztes Mal die Vereidigung von Hitler-Jungen statt. Die amerikanischen Bomben jedenfalls zerstörten das Gesellschaftshaus. Es brannte innen vollständig aus und musste 10 Jahre später komplett abgerissen werden.
Mit den Befreiern kam dann etwas, was wir Bürger aus der letzten Zeit kennen und wir heute, im Jahre 2020, nie für möglich gehalten hätten: Ausgangssperren. Nur stundenweise war es nach Kriegsende den Coburgern erlaubt, das Haus zu verlassen. Auch der Strom und das Wasser wurde nur stundenweise angestellt. Eine Sirene kündigte 15 Minuten vor der Ausgangssperre an, dass man sich unverzüglich nach Hause zu begeben hatte. Auch wenn die Kriegsschäden in Coburg im Vergleich zu anderen bayerischen Städten sehr gering waren: 44 Häuser in der Stadt wurden komplett zerstört, 112 schwer, und über 300 Häuser wurden nur leicht beschädigt.
Die Goethestraße 11 traf es auf der Vorderseite. Beschädigt wurde der schmuckvolle Giebel des Zwerchhauses. Auch der steinerne Balkon mit Balustrade und Rundbögen wurde ein Opfer des Bombenangriffs. Nur notdürftig konnten die Eigentümer nach Kriegsende das Gebäude wieder instand setzen. Der Balkon wich einem Kastenerker, der so gar nicht zu dem neugotischen Eckhaus passte. Umso schöner, dass die neuen Eigentümer Edith und Rainer Landwehr das Gebäude nun aus seinem Dornröschenschlaf erweckt haben. Viele Sandsteinarbeiten waren nötig und auch der neue Balkon passt nun wieder zu seinem historischen Vorbild. Da trifft es sich gut, dass unterm Dach eine WG aus Studenten eingezogen ist, die diese aufwändigen Arbeiten zu schätzen weiß. Die Bewohner studieren allesamt Architektur und fühlen sich sehr wohl in diesem steinernen Denkmal aus dem Jahre 1861.
Häuser, die mit Unterstützung der Gemeinschaft Stadtbild Coburg e. V. saniert worden sind – der COBURGER stellt sie vor: 2020 in jeder Ausgabe des COBURGER eines in unserer Reihe „Hier wohnte“.