coburger-hier-wohnte-titelbild

HIER WOHNTE… #39

… die Freude

Ob es Zufall ist, dass die Untere Salvatorgasse, von der Ketschengasse kommend, direkt auf den Altar der Salvatorkirche zeigt? Nur ein Zufall, dass das kleine Handwerkerhäuschen mit der Nummer 4 an die dicken Mauern des Gotteshauses angelehnt ist und man im Innenhof direkt an ihnen vorbei geht? Wer weiß. Mit Sicherheit ein Zufall ist es, dass das Häuschen in der von Einheimischen so bezeichneten Freudengasse steht. Das hängt allein damit zusammen, dass die nördlich verlaufende Obere Salvatorgasse das Gegenstück dazu war: die Totengasse. Und das nicht, weil es hier so gruselig war, sondern weil bis Ende des 19. Jahrhunderts die Leichenzüge durch dieses Nadelöhr auf den Salvatorfriedhof zogen. Die freudvollere Untere Salvatorgasse war dabei den Hochzeitsgesellschaften vorbehalten.

von Heidi Schulz-Scheidt
Fotos: Val Thoermer

Irgendwann im ausgehenden 15.Jahrhundert wurde es zu eng auf dem Friedhof an der Morizkirche. Gestorben wurde schließlich immer und im Zeitalter der Pest umso häufiger. Also musste ein Neubau her. Natürlich sollte dieser vor den Toren der Stadt sein, denn mit den Toten wollte man möglichst wenig zu tun haben. So kamen die Kirchenväter auf den Standort hinter dem Ketschentor. Im Jahre 1662 kam dann noch ein kleines Kirchlein dazu, die Salvatorkirche, die die Coburger schlicht Gottesackerkirche nannten. Zur Einweihung erschien Herzog Friedrich Wilhelm II. von Sachsen-Altenburg höchstpersönlich. Dem Wettiner wurde schon zu Lebzeiten nachgesagt, dass ihm das Allgemeinwohl der Bürger sehr am Herzen lag. So investierte er viel Geld in den Bau von Schulen und Kirchen. Im Zuge der Anlegung des neuen Friedhofes entstand am unteren Ende Richtung Casimirstraße ein Totengräberhaus und der Totengräberturm. Den Coburgern besser bekannt als Lichtensteinturm. Dem Namen zugrunde liegt eine tragische Liebesgeschichte. Von 1597 bis zu seinem Tode 1633 büßte hier Ulrich von Lichtenstein seinen Hausarrest ab. Er hatte den schweren Fehler begangen, sich in die Frau von Herzog Johann Casimir zu verlieben und zahlte für diesen Seitensprung mit seinem Leben.

Auf dem Salvatorfriedhof begraben sein soll übrigens ein berühmter Sohn der Stadt Coburg: Conrad Rüger. Der Bertelsdorfer wurde zu Zeiten des 30-jährigen Krieges zum Volkshelden, weil er mit einem gezielten Kanonenschuss den berühmten böhmischen Feldherren Wallenstein 1632 davon abgehalten haben soll, die Veste zu erobern. Auch bei der Belagerung der Stadt Kronach hatte er sich für seinen Dienstherren Herzog Johann Casimir in Lebensgefahr begeben und war dafür reich belohnt worden. Anscheinend ruhte sich der tapfere Festungsconstabel Rüger danach aber auf seinen kämpferischen Heldentaten aus. Laut Aussage seines Vorgesetzten, Hauptmann Hans Hartmann von Erffa, ließ dieser in den Folgejahren seinen Dienst schleifen, erschien unregelmäßig an seinem Dienstort der Veste und kümmerte sich auch nicht mehr um die ihm aufgetragene Instandhaltung der Waffen und Kanonen. Irgendwie geriet der ehemalige Volksheld auf Abwege. Unter nicht geklärten Umständen soll der Bertelsdorfer in der Spitalgasse vor der Gaststätte „Zum Bären“ einen Hauptmann erstochen haben. Obwohl der Constabel ein schwieriger Charakter gewesen zu sein scheint, die Coburger behielten ihn in guter Erinnerung, soll doch der von ihm abgefeuerte Schuss den großen Wallenstein in die Flucht geschlagen und die Coburger vor der Vereinnahmung bewahrt haben. Aus lauter Wut über diese Niederlage ließ der Feldherr bei seinem Rückzug allerdings viele Dörfer im Coburger Land niederbrennen.

Einen Steinwurf entfernt vom Friedhof, dicht angelehnt an die Salvatorkirche steht seit über 300 Jahren das kleine Handwerkerhäuschen, das nun von Lutz Rother in fast zweijähriger Renovierung in zwei schnuckelige Ferienwohnungen umgestaltet wurde. Mit Lehm geputzte Wände, offenes Fachwerk und ölgetränkte Holzdielen schaffen Behaglichkeit. Enorme Sanierungsarbeiten waren nötig, denn das Gebälk war größtenteils morsch. In neuem Glanz erstrahlt auch die weithin sichtbare rote Eingangstür aus Holz, die den Blick frei gibt auf den Innenhof und die Außenmauern der Salvatorkirche. Ein besonderer Ort. Den Gottesacker beim Frühstück auf der überdachten Terrasse auf der einen Seite im Blick und ein Gotteshaus im wahrsten Sinne im Rücken. Ist also doch kein Zufall, das mit der Freudengasse.

coburger-hier-wohnte-6 coburger-hier-wohnte-5 coburger-hier-wohnte-1 coburger-hier-wohnte-4 coburger-hier-wohnte-3 coburger-hier-wohnte-12 coburger-hier-wohnte-11 coburger-hier-wohnte-10 coburger-hier-wohnte-9 coburger-hier-wohnte-8 coburger-hier-wohnte-7


Häuser, die mit Unterstützung der Gemeinschaft Stadtbild Coburg e.V. saniert worden sind – der COBURGER stellt sie vor: 2020 in jeder Ausgabe des COBURGER eines in unserer Reihe „Hier wohnte“.

    Hinterlassen Sie ein Kommentar

    dreizehn + zwei =