Hier wohnen … #60

… Reisende

Ihr Reise-Gen hat sie bis hierher in die Provinz gebracht. Raus aus München in ein 300-Seelen-Dorf an der Grenze zu Thüringen. Um einen Traum zu verwirklichen. Den Traum einer Begegnungsstätte für Künstler, einen Ort, an dem Kultur gelebt wird. Hier in Roßfeld ist dieser Ort nun entstanden. Mittendrin zwischen Fachwerkhäusern, direkt an der Hauptstraße mit einem Birnbaum vorm Eingang, der dem Hof seinen Namen gibt.

Cordula Utermöhlen und Roland Dierenberger kaufen mitten in der Coronazeit einen Vierseithof in dem Bad Rodacher Stadtteil und gestalten ihn seitdem zu ihrer neuen Heimat um. Ein radikaler Neuanfang auf dem Land zwischen Obstbäumen, Äckern und Wäldern. Im ehemaligen Grenzland, in dem die Verbindung zwischen den bayrischen und thüringischen Nachbarn lange gekappt war. Und sich erst nach und nach wieder neue Beziehungen ergeben.

Anstelle dieses unsichtbaren Bandes, das die Menschen hier manchmal noch trennt, möchte das Künstlerpaar Möglichkeiten der Begegnung schaffen. Gemeinsame Erlebnisse, die verbinden. Der Anfang ist nun gemacht auf dem Birnenhof in Roßfeld. Die bereits vollständig sanierte, östlich gelegene Scheune aus Backstein und Fachwerk bezeichnen die beiden augenzwinkernd als ihren Wohnstall. Decken wurden entfernt, Tonnengewölbe und alte Holzbalken frei gelegt. Diese eröffnen nun ganz neue, ungewohnte Perspektiven. In luftiger Höhe verbindet eine Brücke die beiden Schlafplätze des Paares. Und immer ist der Himmel ganz nah – dem Glasdach sei Dank. Eigentlich bestand der Hof aus zwei eng stehenden Anwesen, aber als Familie Heim 1875 nach Erfurt umzog, kaufte die Nachbarsfamilie Höllein das angrenzende Gebäude dazu. So entstand der Vierseithof. An der Längsseite bietet – wettergeschützt mit Aussicht auf den Wohnstall – die Arkade als die Möglichkeit für Freiluftveranstaltungen. Zum Beispiel das Fledermauskino – der Name erklärt von selbst, wann der Beginn der Veranstaltung ist. Bei Dämmerung, wenn die nachtaktiven Tiere in den Hof hineinfliegen, geht es los. Dann sitzen die Kinobesucher bereits auf ihren selbst mitgebrachten Stühlen in Erwartung eines cineastischen Freilufterlebnisses.

Für ein Kunstprojekt bereits genutzt wurde Anfang Oktober die Scheune mit offenem Dachstuhl. Mit „Verbindungslinien“ präsentierten vier Künstler ihre persönlichen Erfahrungen zum Thema Grenzen und Überwindung von Begrenzung. Die Scheune spielt dabei eine ganz besondere Rolle bei Cordula Utermöhlen. Sie dient nicht nur als Ausstellungsort, sondern liefert auch originales Arbeitsmaterial. Alte Fensterrahmen, die auf dem Dachboden auf ihre neue Bestimmung warteten, dienen der Künstlerin nun als Rahmen für ihre Malerei. Mit Hilfe von Öl, Scheunenstaub und Tusche wurden diese zu neuem Leben erweckt.

Auch die Ferienwohnungen in den schieferverkleideten Fachwerkhäusern im Süden haben ihr ganz eigenes Flair. Die kräftigen Farben der Marokkowohnung strahlen durch das hereinfallende Licht noch intensiver. Der wild gemusterte Fliesenboden ergibt einen starken Kontrast zu den bunten Wänden. Wie ein Gemälde wirkt das Ensemble auf den Betrachter. So verlässt man den Birnenhof voller neuer Eindrücke, anregender Gespräche und außergewöhnlicher Einsichten. In der Jackentasche eine Handvoll von Roland Dierenbergers geistreich verfasster Aphorismen zum Schmunzeln und Weiterdenken.

Weitere Informationen: www.birnenhofartsrossfeld.de

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