… ein dunkles Kapitel Stadtgeschichte
Eine unbedacht ausgesprochene Beleidigung. Eine gezielte Denunziation. Ein machtbesessener Zentgraf gegen seine greise Nachbarin.
Was am Anfang der Geschichte von Margarete Ramhold stand, ist von heute aus betrachtet unfassbar. Der Leidensweg beginnt im Jahre 1628 im Hexenturm am Ernstplatz.
Mitten in der Stadt.
Was mag die betagte Hofsattlerin dazu bewogen haben, den wegen seiner Hetze gegen Frauen und seiner brutalen Foltermethoden bekannten Richter Casper Lang auf offener Straße als Bluthund und Galgenwirt zu beschimpfen? Der öffentlich so gescholtene Zentgraf schlägt postwendend zurück. Lässt am 7. Juni 1628 Margarete Ramhold in ihrem Haus in der Ketschengasse 11 festnehmen und in den Hexenturm bringen. Hier beginnt ihre Tortur. Um die Beleidigung an sich geht es dabei schon längst nicht mehr. Lang will die unerwünschte Nachbarin der Hexerei überführen und sie aus dem Weg räumen. Dazu ist ihm jedes Mittel Recht. Die alte Frau wird mit Beinschrauben malträtiert und stundenlang kopfüber an der Decke aufgehängt. Unter der Folter gesteht sie den vermeintlichen Bund mit dem Teufel. Sie wird zum Tode verurteilt, begeht einen Selbstmordversuch, widerruft ihr Geständnis. Der Richter lässt nicht locker. Erneut foltert er die dem Tode Geweihte, bis sie erneut gesteht. Es wird ihr letztes Geständnis. Am 20. September wird sie an der Richtstätte in der Hohen Straße verbrannt.
Margarete Ramhold war eines von vielen Opfern der Hexenverfolgung im Raum Coburg. Insgesamt 178 Unschuldige wurden im 16./17. Jahrhundert verfolgt und fanden ihr Ende auf dem Scheiterhaufen. Oder starben bereits vorher an den Folgen der Folter. Besonders schlimm wütete der Coburger Herzog Johann Casimir. Er ließ nachweislich 41 Menschen wegen Hexerei hinrichten. Im Staatsarchiv liegen Dokumente, die die Gräueltaten akribisch dokumentieren. Im Hexenturm mussten diese Menschen die Willkür des Herzogs über sich ergehen lassen. Sogar eine Hexengerichtsordnung „Die Hexerey betreffend“ erließ er. Darin findet sich der genaue Ablauf der Tortur und das gesammelte Grauen: Daumenschrauben, Spanische Stiefel, Gespickte Hasen, Schraubstock, siedendes Öl, brennender Schwefel. Selbst die Familien der Gefolterten wurde nach deren Tod noch nachhaltig bestraft. Man nahm ihnen die Frau, Mutter oder Großmutter und anschließend nicht selten auch noch das gesamte Vermögen. Hohe Rechnungen über die Folter und sogar die Hinrichtung flatterten ins Haus. Unfassbar. Die Familien waren ruiniert. Gut möglich, dass das eine oder andere Haus in Coburg mit dem Geld verbrannter Hexen bezahlt wurde.
Eine Gedenktafel, von Stadtbild Coburg am Turm angebracht, erinnert heute an die Hexenverfolgung im Raum Coburg, die mit dem Tode Herzog Casimirs 1633 schlagartig endete. Der Name Hexenturm aber hat sich dabei fest in das Bewusstsein der Bürger eingebrannt. Und das ist gut so. Dass dieser ehedem als Kiliansturm einfach ein Teil der Stadtbefestigung war, weiß heute kaum jemand. So bleibt er weiterhin Mahnmal an ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte, deren Wurzeln bis ins Jahr 2019 reichen. Denn die zu Unrecht Verurteilten und Getöteten, die nicht immer nur Frauen waren, sondern auch Kinder und Männer, warten bis heute auf ihre Rehabilitation. Die über 400 Jahre alten Urteile nach Casimirs Hexengerichtsordnung wurden nie aufgehoben und sind damit bis heute gültig. Margarete Ramhold gilt somit weiterhin als Hexe, die zu Recht gequält und verbrannt wurde.