… EINER DER ERSTEN AUTOFAHRER COBURGS
52 Kraftfahrzeuge gab es im Jahr 1909 im Stadtgebiet der Residenzstadt Coburg. Darunter die Luxuswagen der Herzogin Marie und des Großfürsten Kyrill von Russland. Und das Auto mit dem Kennzeichen Nummer 34. Es gehörte dem Fabrikanten Richard Löwenherz aus der Seifartshofstraße 21.
von Heidi Schulz-Scheidt
Fotos: Val Thoermer
Die eigentlich aus dem westfälischen Höxter stammende Familie gründete in Eisfeld ein Dampfsägewerk mit einer Holzwarenfabrik. Weil die thüringische Kleinstadt aber nicht allzu viel kulturelles Leben zu bieten hatte, siedelte die Familie kurzerhand nach Coburg um. Die oberfränkische Residenzstadt zog zu Anfang des 20. Jahrhunderts viele gut situierte Menschen an. Es gab ein Theater, zahlreiche Vereine und das ein bisschen Glanz und Gloria verströmende Herzogshaus. Das Holz brachte David Löwenherz und seine Frau Clara zusammen. Schwiegervater Backhaus handelte im thüringischen Eisenach mit Holz, ebenso die Firma Löwenherz in Eisfeld. Die Schwellen der Werra-Bahn stammten aus dem Betrieb. Aber nicht nur geschäftstüchtig war die Familie. Sie engagierte sich auch auf sozialer Ebene. Während des Ersten Weltkrieges stellte David Löwenherz seine Fabrikräume für die Unterbringung von verwundeten Soldaten zur Verfügung. Eine Würdigung vonseiten der Stadt blieb nicht aus. Ihm wurde der Titel des Kommerzienrates verliehen. Die Herzogin von Meiningen überreichte dem Eisfelder Fabrikanten die Medaille für Kunst und Wissenschaft erster Klasse.
Nach dem frühen Tode seines Vetters im Jahre 1918 führte Richard Löwenherz die Geschäfte weiter und erweiterte sie noch um eine zweite Möbelfabrik im Hahnweg. Irgendwann wurden die Räumlichkeiten in der Seifartshofstraße zu klein und der Fabrikant kaufte eine prächtige Villa in der Alexandrinenstraße. Seine Liebe zu Kraftfahrzeugen machte sich auch hier bemerkbar, denn er erweiterte die Villa als einer der ersten Autobesitzer Coburgs durch den Anbau einer Garage. Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 und dem zunehmenden Aufstieg der Nazis – die Familie Löwenherz war jüdischen Glaubens, lebte diesen aber nicht – verließ Richard 1933 die Vestestadt in Richtung Neustadt. Von hier aus versuchte er noch, die Firma zu retten. Als dies jedoch misslingt, emigriert das Ehepaar nach Jugoslawien. In bescheidenen Verhältnissen stirbt der ehemalige Fabrikant 1940 in Zagreb. Eine wechselvolle Geschichte erlebte das Gebäude über die vielen Jahrzehnte hinweg. Und immer wieder wurde für die Zwecke seiner neuen Besitzer angebaut, umgebaut, abgerissen. Einst errichtet als Tauboldsche Internatsschule 1890 wurde das dreigeschossige Haus im Jahre 1913 zur Nebenstelle der Reichsbank. Ein Kassenraum im Erdgeschoss kam dazu, in den Keller wurde ein Tresor eingebaut. Der kam im Übrigen bei der letzten Sanierung wieder zum Vorschein. Jahre lang erblickten hier später viele Coburger das Licht der Welt, zwischen 1960 und 1983 war das Gebäude eine Frauenklinik. Davon erzählte bis zur letzten Sanierung ein nachträglich eingebauter Essensaufzug, Zeitzeuge vergangener Nutzung. Manch einer wird sich auch noch erinnern an die güldenen Lettern des Coburger Tageblattes, die dann seit 1983 an der roten Ziegelfassade prangten. Heute beherbergt das Gebäudeunter anderem den Radiosender RadioEINS und die Geschäftsstelle des HSC 2000 Coburg. Aufwändige Sanierungsarbeiten des neuen Eigentümers Dr. Thomas Kräußlein lassen es nun innen und außen in neuem Glanz erstrahlen. Die Garage konnte zwar nicht erhalten werden, das hätte dem Autoliebhaber Richard Löwenherz wahrscheinlich nicht gefallen. Aber schon ein Blick in das behutsam unter denkmalpflegerischen Aspekten sanierte Treppenhaus hätte ihn sicher besänftigt. So glanzvoll hat die Seifartshofstraße 21 nämlich schon lange nicht mehr ausgesehen.
Häuser, die mit Unterstützung der Gemeinschaft Stadtbild Coburg e.V. saniert worden sind – der COBURGER stellt sie vor: 2020 in jeder Ausgabe des COBURGER eines in unserer Reihe „Hier wohnte“.