Hier wohnten … #53

… alle unter einem Dach

Kein Heuwagen fährt, von Pferden gezogen, mehr durch die Hofeinfahrt. Kein Muhen und kein Grunzen dringt mehr durch die Holztür des Viehstalls. Keine Hühner, die mehr gackernd über das Gelände laufen. Man meint, es könnte still geworden sein auf dem Dreiseithof in der Staffelsteiner Straße 19 in Herreth. Ist es aber nicht. Im Gegenteil. Nachdem das Anwesen mehrere Jahre leer stand, ist nun das Leben zurück gekehrt.

Seit 1864 befindet sich der Dreiseithof in Familienbesitz und wurde von Generation zu Generation weitergegeben, umgebaut und erhalten. Auf über 2000 Quadratmetern Grund erstreckt sich das Anwesen im typisch fränkischen Baustil. Zur Straße hin offen steht das Wohnhaus gegenüber des Viehstalls. Die Rückseite des Hofes wird von der Scheune mit dem riesigen Tor eingenommen. Im hinteren Bereich noch die Reste des Backofens ganz in Sandstein gefasst. Gerade im Fränkischen sind die Dreiseithöfe meist eng bebaut, weil sie sich im Dorfkern befinden. Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Weg zur Arbeit war kurz.

Bei der fast zehn Jahre dauernde Renovierung hat die jetzige Besitzerin Alexandra Müller-Röhr selbst oft mit Hand angelegt, Bauschutt entsorgt, Sandsteine geschleppt, Fachwerk freigelegt. Eigentlich sollte das Wohnhaus zu Mietwohnungen umgebaut werden, bis die Müller-Röhrs sich entschieden, selbst nach Herreth zu ziehen. Entstanden ist ein modernes Wohnhaus in historischem Ambiente. Ein Wohlfühlhaus für eine vierköpfige Familie in einem gewachsenen Dorf inmitten grüner Landschaften. Das Herzstück ist die noch immer so genannte „Gute Stube“, traditionsgemäß auf die Dorfstraße hinaus zeigend. Am rustikalen Eichentisch sitzt die Familie zu besonderen Anlässen. Abgetrennt wird diese durch eine kunstvoll geschmückte Holzwand. So entstand ein Kabinett, ein geheimes Hinterzimmer. Wurde vorne in der guten Stube vom Hofherren Politik gemacht, also Hochzeiten beschlossen, Grundstücke verkauft oder Intrigen gesponnen, konnte die ältere Generation mithören, ohne gesehen zu werden. Praktisch. Und wenn es im Winter zu kalt für die neugeborenen Ferkel wurde, durften diese kurzerhand mit in die Stube. Hier passten alle unter ein Dach.

Fast wäre der Traum vom renovierten Dreiseithof zwischendurch geplatzt, als 2014 nebenan die Traditionsbrauerei Stirnweiß in Brand geriet. Ein großer Schock, wie sich Alexandra Müller-Röhr erinnert, denn das Brauhaus und die Gastwirtschaft sind zur selben Zeit entstanden wie der Dreiseithof und hatten im Jahr zuvor noch ihr 150-jähriges Bestehen gefeiert. Wäre der Wind an diesem Septembertag aus einer anderen Richtung gekommen, wäre das Feuer auf die nächsten Gebäude übergesprungen. Zum Glück ist nichts passiert und so kann die Familie heute im ehemaligen Getreidespeicher, der jetzt als Wohnzimmer dient, sitzen, und durch das riesige Panoramafenster auf die Obstwiese und das ehemalige Backhaus blicken. Für den linken Teil des Hofes, den ehemaligen Viehstall, hat Alexandra Müller-Röhr schon die nächste Idee. Da wird ein Partyraum mit Küche und Gästezimmern entstehen. Das nächste Gebäude also, das in Herreth aus dem Dornröschenschlaf geweckt wird.

Dieses Zubrot brachte ihm in der Bevölkerung den Spitznamen „Gurken-Alex“ ein. Wirklich zu Ruhm aber brachte es Otto aber aufgrund seines Talents, fantasievolle, unterhaltsame und witzige Stegreifreden zu halten. Für jeden Käufer hatte er stets einen launigen Vers parat und reimte auch auf Wetterlagen, politische Ereignisse und Coburger Stadtgeschichten. Auch in den Kneipen tauchte der Alex auf und war jederzeit für ein kleines Trinkgeld bereit, seine gereimten Weisheiten auf die schmunzelnden Biertrinker loszulassen.

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