… das Bratwurstmännle
Auch wenn sich die Geschichte vom Bratwurstmännle auf dem Giebel des Rathauses hartnäckig hält. Es ist und bleibt ein Gerücht. Der Stab, den der Heilige Mauritius in der Hand hält, gibt keineswegs die Länge der Coburger Bratwurst vor. Verantwortlich für die zugegebenermaßen nette Geschichte vom kupfernen Bratwurstmaß sind wohl eher die heimischen Metzger, die ihre unerfahrenen Lehrlinge zur Belustigung aller Eingeweihten beim Wurstmachen ins Rathaus schickten, um nach dem – nicht vorhandenen – Bratwurstmaß zu verlangen.
Und mit noch einem Gerücht sei an dieser Stelle ein für alle Mal aufgeräumt. Der Heilige Mauritius feierte 2022 mitnichten seinen 400. Geburtstag, denn er steht erst seit 1752 auf dem Giebel des Rathauses. Aber wer blickte dann vor dieser Zeit auf die Coburger und ihren Marktplatz herunter? Die ursprüngliche Figur, die 1622 aufgestellt wurde und zuerst die Spitze des Rathausturmes zierte, war ein geharnischter Mann mit einem stehenden Löwen. Wie langweilig! Da ist einem die Geschichte vom Bratwurstmännle doch lieber. Traurige Berühmtheit erfuhr das Rathaus, das in seiner heutigen Ausdehnung aus dem Jahre 1580 stammt, als erstmals in Deutschland eine Hakenkreuzfahne an einem öffentlichen Gebäude flatterte. Sogar einen „Führererker“ wollte Hitler damals in Richtung Rosengasse bauen lassen. Mit einem Relief seiner selbst, um die Bedeutung der Stadt („Mit Coburg habe ich Politik gemacht“) für den Beginn seines Aufstiegs zu unterstreichen. Doch dazu kam es nicht. Der Ausbruch des 2.Weltkrieges verhinderte eine derartige Verherrlichung und weitere tiefgreifende Umgestaltungsmaßnahmen der Nationalsozialisten.
Wer jetzt glaubt, Platzmangel im Coburger Rathaus sei ein Problem unserer Tage, dem sei vor Augen gehalten, was sich um 1900 alles in dem repräsentativen Gebäude am Markt befand. Im Erdgeschoss verrichtete die Polizei ihren Dienst, einschließlich mehrerer Arrestzellen. Auch die Feuerwehr mit ihren Handspritzen kam hier unter. Zudem befanden sich hier die Kassenlokale der Sparkasse und die Stadtkasse. Die Regimentsstube, die mit einer gotischen Tür samt Kunstschmiedebeschlägen das älteste Zeugnis der Rathauseinrichtung beherbergt, würde heutzutage als Multifunktionsraum durchgehen: sie diente als Dienstzimmer des Bürgermeisters, Tagungsort des Stadtrates und als Geschäftszimmer des Standesbeamten. Fanden Trauungen statt, musste der Oberbürgermeister seinen Arbeitsplatz verlassen und sehen, dass er anderweitig unterkam. Bemerkenswert. Irgendwann hatte aber auch der Tag eines städtischen Angestellten ein Ende. Dieser wurde oft in der Gaststätte Zollhof begangen, die bereits 1610 gegründet wurde. Die Gaststätte, die sich um das leibliche Wohl nicht nur der städtischen Beamten kümmerte, existiert nicht mehr. Sie wurde 1975 abgerissen, später entstand hier der Neubau der Sparkasse. Im Zollhof selbst mussten seit dem Mittelalter die Kaufleute aus dem Umland ihre Zölle in Form von Naturalien abgeben. Ein Lastenaufzug, an dessen Stelle heute ein Fahrstuhl seinen Dienst verrichtet, brachte die landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus der Region auf den Dachboden des Rathauses. Fremde Kaufleute mussten hinter dem Rathaus, dort wo der Oberbürgermeister heutzutage parken darf, ihre Zölle entrichten, bevor sie auf dem Markt ihre Waren anbieten durften. Zöllner zu sein, das war ein lukrativer Job, wie schon die Bibel lehrt. Der Coburger Zöllner kümmerte sich nämlich nicht nur um sprudelnde Steuereinnahmen der Stadt, er durfte auch den Ratskeller bewirtschaften. Bis heute erinnert das Eingangsportal mit dem Schriftzug „Ratskeller“ an diese Schenke in der Ketschengasse.
1975 kam die Gaststätte ins Erdgeschoss des städtischen Gebäudes zurück. Kaum zu glauben, aber schon zu dieser Zeit war das Heizen öffentlicher Räume ein großes Thema. Besucher des Rathauses schimpften immer wieder über den beißenden Qualm, der ihnen nach dem Eintritt entgegen kam. Denn die beiden Schornsteine gingen nicht einmal bis ins Erdgeschoss hinunter und waren einstmals nur auf Holzfeuerung ausgelegt. Die Kohlebriketts, die dann zeitweise verschürt wurden, vernebelten zeitweise das ganze Gebäude.