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Kabarettist Frank-Markus Barwaser im Interview #57

„Ob ich der Menschheit die richtigen Fragen stelle, weiss ich nicht!“

Seine Bühnenfiguren Erwin Pelzig, Hartmut und Dr. Göbel genießen Kultstatus. Vor 30 Jahren ist Kabarettist Frank-Markus Barwasser zum ersten Mal in die Rolle von Erwin Pelzig geschlüpft . Am Mittwoch, 19. Juli, eröffnet der 63-Jährige mit seinem neuen Programm „Der wunde Punkt“ den 3. Rödentaler Kultursommer. Im Interview spricht der gebürtige Würzburger über den Erfolg seines Figuren-Trios, welche Begegnungen ihn als Fernseh-Moderator besonders inspiriert haben, die aktuellen Kränkungen der Menschheit.

COBURGER: In Ihrem neuen Programm „Der wunde Punkt“ beschäftigen Sie sich mit der „Welt der menschlichen Kränkungen“. Gab es ein bestimmtes Ereignis, das für Sie die Initialzündung zu diesem Thema darstellte?

Frank-Markus Barwasser: Es war kein bestimmtes Ereignis, aber ein bestimmtes Buch, das mich letztlich zu dem Thema trieb. Geschrieben hat es der Österreicher Reinhard Haller, der auch als sehr erfahrener Gerichtspsychiater tätig ist. Darin beschreibt er die Macht der Kränkung, was auch der Buchtitel ist. Fast alle wollen wir ja verstehen, warum Menschen so oder so handeln. Wenn man das mal stärker unter dem Aspekt der Kränkung betrachtet, dann versteht man den Irrsinn dieser Welt vielleicht besser. Klar, die Kränkung entschuldigt erstmal nichts, aber sie erklärt vieles.

COBURGER: Sie erwähnen in der Ankündigung zu Ihrem Programm die „Kränkungen der Menschheit“, die der Wiener Psychologe Sigmund Freud bereits 1917 vorgestellt hat. Unter welchen Kränkungen leidet die Menschheit heutzutage?

Frank-Markus Barwasser: Oh, das sind wohl einige. Zum Beispiel die gekränkte Männlichkeit. Die führt zu viel Brutalität. Oder die Geschichte des weiblichen Geschlechts. Im Grund eine Kränkungsgeschichte. Auch künstliche Intelligenz ist hier ein Thema, denn es gibt Leute, die behaupten, das bedeute das Ende des Homo Sapiens, wenn wir unsere kognitive Überlegenheit restlos verlieren. Das wäre dann in der Tat eine große Kränkung der Zukunft.

COBURGER: In „Der wunde Punkt“ schlüpfen Sie wieder in die Rollen von Erwin Pelzig und seinen beiden besten Freunden Hartmut und Dr. Göbel. Sie feiern heuer 30 Jahre Erwin Pelzig. Wie hat sich die Figur Erwin Pelzig innerhalb dieser drei Jahrzehnte verändert und wie haben Sie sich mit und durch sie verändert?

Frank-Markus Barwasser: Ganz sicher hat der Pelzig von heute mehr mit mir zu tun als es vor zwanzig Jahren der Fall war. Seine Themen sind heute grundsätzlicher, sicherlich auch ernsthafter, wobei ich den Unterhaltungsanspruch nie aufgegeben habe. Naja, und altersmäßig haben wir uns nach 30 Jahren wohl auch etwas angenähert, denn Pelzigs Spielalter lag ja immer deutlich über meinem. Das ändert sich allmählich.

COBURGER: Sie kommen gebürtig aus Würzburg, also aus Unterfranken, das allerdings seit 1806 zu Bayern gehört. Ist das nicht auch so eine nicht überwundene, dauerhafte Kränkung, in diesem Fall der Franken, dass sie seit mehr als 200 Jahren immer wieder auf ihren Unterschied zu Oberbayern hinweisen müssen?

Frank-Markus Barwasser: Das war nie mein Thema. Liegt wohl daran, dass meine Eltern und Großeltern aus allen Himmelsrichtungen stammten und wir sicherlich kein Franken-Gen nachweisen können. Ich würde die Tatsache, das Franken ein Teil Bayerns werden musste, inzwischen auch nicht mehr als wirkliche Kränkung identifizieren wollen. Dazu sind die Franken im Grunde viel zu selbstbewusst. Irgendwer hat mal den schönen Satz über die Franken gesagt: „Wir können alles. Außer angeben“.

COBURGER: In „Der wunde Punkt“ gelangt Erwin Pelzig zu der Einsicht, „dass man sich dieser Menschheit nur noch mit Mitteln der Psychologie nähern sollte, wenn man die kollektive Irrationalität begreifen möchte“. Wie sehen diese „Mittel der Psychologie“ aus?

Frank-Markus Barwasser: Naja, ein Psychologe wertet ja erstmal nicht. Oder sollte es nach meinem Verständnis jedenfalls nicht tun. Sondern er versucht zu begreifen und seinem Klienten die richtigen Fragen zu stellen, damit dieser selbst begreift, wo sein Problem und die Lösung des Problems liegt. Ob ich der Menschheit die richtigen Fragen stelle, weiß ich nicht, vermutlich nein. Aber das ist nicht so schlimm, weil die Menschheit sowieso nicht auf mich hört. Zum Glück…

COBURGER: Sie sprechen in „Der wunde Punkt“ auch über gekränkte Männlichkeit als Motiv für Gewalt und Hass und über Künstliche Intelligenz als große Kränkung der Zukunft. Haben Kränkungen heutzutage im Vergleich zu Freuds Zeit inflationär zugenommen?

Frank-Markus Barwasser: Ich wäre vorsichtig zu behaupten, dass Kränkungen inflationär zunehmen. Letztlich können wir gar nicht beurteilen, wie kränkend die Generationen den Wahnsinn ihrer Zeiten empfunden haben. Hatten sie es leichter? Waren ihre Zeiten ungefährlicher oder gerechter? Glaube ich nicht. Es gibt keine „gute alte Zeit“. Was ich aber schon glaube, dass unser Zeitalter ein schnelles ist. Ein hypernervöses. Und ein extrem kompetitives Zeitalter in fast allen Gesellschaftsbereichen – und das global. Die Wirkung des Kabaretts kann man bei all dem nicht genug überschätzen, da sollte sich unsereiner nichts vormachen. Aber natürlich wird manches womöglich erträglicher, wenn man ihm mit Mitteln des Humors begegnet. Das ist vielleicht eine der letzten Ausfahrten, bevor du in die vorletzte Ausfahrt einbiegst: in die Resignation. Oder in die allerletzte Ausfahrt: in den Hass.

COBURGER: Gab es Momente, in denen Sie Ihre Karriere-Entscheidung, sich ganz dem Kabarett zu widmen, bereut oder an ihr gezweifelt haben?

Frank-Markus Barwasser: Nachdem ich ein Jahr in Spanien studiert hatte, war eigentlich mein Ziel, irgendwann mal als Korrespondent für irgendwen in irgendeinem spanischsprachigen Land zu arbeiten. Dass das nicht geklappt hat, bedauere ich schon manchmal. Aber bereut habe ich die stattdessen genommene Laufbahn trotzdem nie.

COBURGER: Sie sind 2017 zum ersten Mal Vater geworden. Wie hat Sie dies persönlich verändert und hat es auch Auswirkungen auf die Themen Ihrer Kabarett- Programme gehabt?

Frank-Markus Barwasser: Ich hatte auch ohne Kind niemals die Haltung: nach mir die Sintflut! Aber klar, ich mache mir viele Gedanken darüber, welche Zukunft meinen Sohn erwartet und was er von der Zukunft zu erwarten hat. Auch manche Themen fassen mich persönlich jetzt vielleicht noch härter an als vorher, muss ich schon zugeben. Auswirkungen aufs Programm hat das aber nicht. Die wichtigste persönliche Veränderung ist sicherlich, dass ich meine Prioritäten sehr verändert habe, was den Umgang mit Zeit betrifft.

COBURGER: Sie haben im Lauf der Jahre verschiedene TV-Sendungen moderiert. Welche Begegnung hat Sie am meisten inspiriert?

Frank-Markus Barwasser: Ich denke heute noch mit großer Sympathie an das Gespräch mit dem Sexualaufklärer der 60er und 70er Jahre Oswald Kolle. Das war ein toller und mutiger Mann und ich bin schon stolz, ihn noch kennengelernt zu haben. Und natürlich die Interviews mit Roger Willemsen waren immer inspirierend. Willemsen vermisse ich sehr, wirklich sehr.

COBURGER: Sie treten am Mittwoch, 19. Juli, beim Kultursommer in Rödental auf. Worauf freuen Sie sich besonders und wie schätzen Sie als Unterfranke das oberfränkische Publikum ein?

Frank-Markus Barwasser: Ich freue mich auf einen Abend ohne Regen, Wind, Hagel, Hitze, Kälte. Ist ja eine Freiluftvorstellung. Riskante Sache. Aber während der Pandemie war ich mehrfach gezwungen, im Freien aufzutreten und das hat gut funktioniert. Und Oberfranken ist ja eine Region, in der ich von Anfang viel aufgetreten bin. Neulich war ich nach langer Pause mal wieder in Wunsiedel. Natürlich kannte ich niemanden persönlich, aber als ich auf die Bühne kam, dachte ich, wie schön, lauter alte Bekannte. So ist das in Oberfranken eigentlich immer.

COBURGER: Zum Abschluss: Wenn Sie einen Tag lang die Geschicke der Menschheit beeinflussen könnten, was würden Sie unternehmen?

Frank-Markus Barwasser: Angesichts des desolaten Zustandes des Planeten und seiner Bevölkerung fehlt mir leider der Optimismus, dass ein Tag reichen würde, um Einfluss zu nehmen.

Wann? Frank-Markus Barwasser gastiert am Mittwoch, 19. Juli, um 20 Uhr
Wo? Domäne Rödental, Kronacher Straße 4
Weitere Infos: www.pelzig.de

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