Kultouren: Sylt #59

Sylt polarisiert. Für die einen ist die bekannteste deutsche Insel die herbe Königin der Nordsee und mit ihren endlosen, weißen Stränden das Traumreiseziel überhaupt. Für die anderen ist das nordfriesische Eiland ein Tummelplatz für Edelspießer mit seinen unbezahlbaren Reetdachhäusern, die sich kein normaler Mensch leisten kann. Die meisten werden eine Meinung zu Sylt haben, ganz gleich, ob sie jemals einen Fuß auf die Insel gesetzt haben, deren markante Umrisse als dezenter Aufkleber ausnahmslos Autos von echten Fans zieren. Die Wahrheit liegt – wie so oft – in der Mitte.

FASZINATION WATTENMEER

Ein Muss für jeden Sylturlauber: barfuß durch den Schlick wandern und sich von einem Nationalparkranger – oder einem Bufti – das Zusammenleben von Wattwürmern und Krebsen im Gezeitenstrom erklären lassen. Denn eines ist klar: Ebbe und Flut sind hier auf jeden Fall ein Thema, über das man sich Gedanken machen muss. Brandungsschwimmen geht halt einfach nur bei Flut. Für ausgedehnte Strandspaziergänge für Muschelsucher am Flutsaum brauchts eher die Ebbe. Die genaue Erklärung, wie das so abläuft mit den Gezeiten, bekommt man in List, dem nördlichsten Ort Deutschlands. Und die Wanderung ins Watt kann man gleich dazu buchen. Zu einem absoluten Besuchermagneten hat sich das Erlebniszentrum Naturgewalten entwickelt. Das weithin sichtbare blaue Gebäude mit dem orangenen Turm beherbergt eine Ausstellung und ein 360 Grad Kino, den Syltdome. Hier erfahren große und kleine Besucher auf unterhaltsame Weise Wissenswertes über die Kräfte der Nordsee und das Leben mit den Naturgewalten. Sturmraum inklusive.

SEEHUNDE BEIM SONNENBAD

Tatsächlich ist das Wetter auf Sylt nicht so schlecht wie sein Ruf. Im Gegenteil. Dank des vom Golfstrom beeinflussten maritimen Klimas kommt man hier auf stattliche 1714 Sonnenstunden im Jahr. Somit zählt Sylt zu den sonnenreichsten Gegenden in Deutschland. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass es den Seehunden im Wattenmeer so gut gefällt. Über 6000 der niedlichen Nordseebewohner leben rund um die Insel und bringen hier ihre Jungen zur Welt. Bei einem Schiffsausflug ab Hörnum oder List kann man die Tiere bei Ebbe dann tatsächlich auf ihrer Seehundsbank beim Sonnenbad beobachten. Auch die in den siebziger Jahren vom Aussterben bedrohte Kegelrobbe liegt hier faul herum. Kaum zu glauben, dass die Jagd auf Robben auch in Deutschland erst seit 1972 verboten ist.

RADELN NACH RANTUM

Wer keinen Porsche oder ähnliches vorzuweisen hat, dem sei geraten, sich für die Länge des Aufenthalts ein Inselrad – natürlich mit Körbchen – zu leihen. Unzählige Fahrradverleihe gibt es auf der ganzen Insel (die meisten in Westerland) und für etwa 10 Euro am Tag ist man mobil unterwegs auf den vielen Radwegen. Auch der geliebte Vierbeiner darf da mal mitkommen, gut verpackt im Hundeanhänger. Eine besonders schöne Tour geht in Richtung Rantum, an den schmalsten Ort von Sylt, nur etwa 300 Meter misst die Insel an dieser Stelle. Das östlich gelegene 600 Quadratmeter große Rantumbecken ist ein Naturschutzgebiet für Seevögel, in diesem Sommer deutschlandweit auch bekannt geworden durch eine Mückenplage. Auf dem Damm herum lässt es sich zwischen schlafenden Schafen hindurch wunderbar radeln. 1936 wurde hier vom Reichsarbeitsdienst ein großes Stück Wattgebiet vom Meer abgetrennt. Es sollte der Luftwaffe als Fliegerhorst für Wasserflugzeuge dienen, wurde später jedoch als nicht mehr kriegswichtig eingestuft und verkam in den sechziger Jahren zur Kloake von Westerland. Heute ist das Becken ein Europareservat für Seevögel.

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