Megatrend Regionale Produkte #14

Ein Beitrag aus Ausgabe #14, 2014

Die Milch aus der Nachbarschaft, das Schnitzel vom Bauern im nächsten Dorf: Produkte aus der eigenen Region sind in den letzten Jahren wieder stark im Kommen. Ein echter Megatrend, der seit Jahren auch in Supermärkten und Discountern angekommen ist. Wolfram Hegen über die neue Lust am Essen aus der Heimat.

Thomas Schreiner aus Wiesenfeld macht einen zufriedenen Eindruck – der gelernte Metzger und Landwirt sieht aus wie jemand, der ganz bei sich ist. Und das ist er wohl auch. Thomas Schreiner ist Direktvermarkter aus Wiesenfeld bei Coburg. 60 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaftet er, hält 15 Mastrinder und 50 Dammhirsche und besitzt 300 Schweine.

Schweinisch gut

Denen geht es in ihrem Stall so richtig gut: Sie werden vorbildlich gehalten, haben doppelt so viel Fläche wie vorgeschrieben, können immer raus, sich aus dem Weg gehen, wenn es mal Zoff gibt, haben immer Tageslicht, immer frische Luft. Das Futter kommt von den eigenen Feldern, auch bei den Rindern ist das so. Der Stall ist sauber, wie man es sich in einem menschlichen Haushalt nicht besser vorstellen könnte. Den Schweinestall hat er damals selbst gebaut, gemeinsam mit der Familie und Freunden, jeden Balken selbst, erinnert er sich Thomas Schreiner fast ein wenig wehmütig, weil der Stall durch die aktuellen Flugplatzplanung gefährdet ist. Aber das ist ein anderes Thema. Stolz ist er auch darauf und auch darauf, dass sein Sohn einmal in seine Fußstapfen treten, den Betrieb übernehmen wird. Er selbst hat die Landwirtschaft ja auch von seinem Vater übernommen, das waren aber noch andere Zeiten damals.

Langsam wachsen

Thomas Schreiner vollzog eine Kehrtwende, hin zur Direktvermarktung, und das vor 25 Jahren. Für verrückt haben ihn damals sicherlich einige gehalten. Doch es war die richtige Entscheidung: Seitdem wächst der Betrieb, langsam, Schritt für Schritt, aber er wächst. Vier Angestellte beschäftigt Thomas Schreiner mittlerweile. Die haben gut zu tun, Tag für Tag. Und das ohne Werbung, nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Im eigenen Laden, in Schreiners Hofladen in Wiesenfeld, werden die eigenen Produkte verkauft, Wurst, Steaks, Sülze, viele Eigenkreationen. Der Hofladen steht für schlacht- und erntefrische Erzeugnisse, Sicherheit bei der Herkunft, nachvollziehbare Erzeugung, kurze Transportwege, besonders für die Tiere und hauseigene Erzeugnisse. Und vor allem für guten Geschmack. „Unsere Schnitzel werden beim Braten auch nicht kleiner in der Pfanne, das ist ein großer Unterschied zu Fleisch aus konventioneller Landwirtschaft“, ist Schreiner stolz. Auch in Kulmbach kennt und schätzt man ihn, dort lässt er schlachten, gilt immer noch ein bisschen als ein Exot. Früher hat er noch selbst geschlachtet, erzählt er, er weiß also, wovon er spricht. Traurig sei es, dass viele Menschen, gerade auch Kinder, nicht mehr wissen, woher das Fleisch überhaupt kommt.

Bei Kindern anfangen

Dass es in Sachen Ernährung, in Sachen gesundes Essen aus der Region, in Sachen jahreszeitgerechte Obst- und Gemüsesorten noch viel zu tun gibt, gerade bei Kindern, merkt Kerstin Haas Tag für Tag. Sie arbeitet im Bereich gesunde Ernährung mit Grundschulkindern. Für viele Dinge ist in vielen Haushalten mit Doppelverdiener nämlich keine Zeit mehr. Leider. Tiefkühlprodukte, Kantinenessen, Fertiges vom Lieferservice bestimmen den Alltag. „Vieles über unsere Nahrungsmittel wird daher nicht mehr Zuhause vermittelt“, so Kerstin Haas. Dort setzt sie an. „Wir sprechen mit den Kindern z.B. über Obst. Was ist das überhaupt, wo wächst welches Obst, wann kann man es ernten, wie kann man es zubereiten.“ Alltagskompetenzen, die immer mehr von Schulen vermittelt werden müssen, weil das in den eigenen vier Wänden nicht mehr so passiert wie früher. „Oft kennen Kinder manche Gemüsesorten gar nicht, haben sie noch nie gesehen, wissen nicht, wie sie schmecken.“ 90% kennen zum Beispiel Rote Beete nicht, kaum einer Wirsing.

Einkaufen auf dem Markt

Die Kinder, so erzählt sie, gehen mit großem Spaß und viel Kreativität an das Thema heran. „Sie dürfen oft etwas tun, was sie Zuhause eben nicht machen können oder dürfen.“ Dann wird zusammen gekocht, Kerstin Haas bringt die Zutaten mit, regional, jahreszeitgerecht, vom Markt in der Region. Und Stück für Stück lernen die Kinder das zu schätzen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Leckeres Essen direkt aus der eigenen Heimat.

Umfragen sind eindeutig

Die Zeit spielt für Kerstin Haas und ihr Anliegen, sie läuft für Thomas Schreiner und sein Geschäft. Regionale Produkte nämlich kommen immer mehr an. Die artgerechte Haltung der Tiere, kurze Wege, lokale Wirtschaftskreisläufe, das alles wird von Verbrauchern immer mehr geschätzt. Das Thema Regionalität steht nach aktuellen Umfragen mit 45 % in der Wichtigkeit der Themen beim Verbraucher ganz vorne, noch vor den Themen Bio mit 22% und Nachhaltigkeit mit 21%, wobei regionale Produkte beides eben oft auch bieten. Das Thema Regionalität, so Umfragen, sei eben „keine Modeerscheinung“, sondern ein „langfristiger Megatrend“. Fast zwei Drittel der Verbraucher glauben daran, dass Regionalität in den nächsten Jahren das Hauptthema bleibt. Dabei geht es wirklich in ersten Linie um das Thema „eigene Region“: Fast alle Einkäufer regionale Produkte gaben in Umfragen als Grund an, „weil sie explizit aus der persönlich definierten Region stammen.“

Handel hat reagiert

Und in der Tat, und das merkt Thomas Schreiner ja auch Tag für Tag, gelten vor allem Waren aus der Landwirtschaft als regionale Produkte: Gemüse, Obst, Eier, Fleisch, Wurst, Milch. Dafür greift man, so zeigen Befragungen, auch gerne schon mal tiefer ins Portemonnaie. Auch der Handel hat schon lange reagiert: Eine Umfrage der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft DLG hat ergeben, dass sich im Handel das Thema „Regionalität von einem zu vernachlässigenden Aspekt zum Top-Thema der Branche entwickelt“ hat. Für 96% der befragten Handelsunternehmen steht es noch vor dem Kostendruck auf Platz 1. Ergebnis sind die vielen regionalen Vermarktungskonzepte. Handelsunternehmen sichern die Herkunft der Produkte zu, man kann diese rückverfolgen bis zum Erzeuger. Vor zehn Jahren noch hat das kaum jemanden interessiert. Eigene Labels wurden geschaffen, Marken, oft werden regionale Produkte gemeinsam in Regalen präsentiert.

Direktvermarkter sind in

Ausdruck dieser Zahlen ist auch die große Zahl an Direktvermarktern, die es allen Unkenrufen vor vielen Jahren zum Trotz noch oder wieder gibt: Alleine in Bayern sind es 3500 landwirtschaftliche Direktvermarkter. Direkt am Bauernhof einkaufen, in Hof- oder Bauernläden, am Straßenrand vor allem in der Sommersaison, wenn es frischen Spargel oder Erdbeeren gibt, Onlineangebote mit Gemüse und Obst, das in Kisten nach Hause geliefert wird. Das alles gehört heute ganz selbstverständlich dazu. Über 175 Bauernmärkte gibt es im Freistaat Bayern, auf dem viele der Direktvermarkter ihre Waren verkaufen, in manch kleiner Gemeinde gründen sich wieder kleine Dorfläden, nachdem die Tante-Emma-Läden vor vielen Jahren von der Bildfläche verschwunden waren und die Fahrt in die nächstgrößere Stadt auf Dauer als die einzige Möglichkeit er schien, an Nahrungsmittel zu kommen, von regionalen Produkten ganz zu schweigen. Und Städte und Gemeinden, Landkreise, regionale Marketingorganisationen haben diese regionalen Angebote als Standortvorteil erkannt, informieren auf ihren Seiten und in Flyern über Produkte aus der Heimat.

Oberfranken gut dabei

Was daher noch vor zwanzig Jahren als rückständig galt, ist heute in Oberfranken ein Segen: Gemessen an der Einwohnerzahl, so rühmt man sich seitens Oberfranken offensiv, gibt es im Regierungsbezirk die meisten Bäcker- und Konditoreien, Metzgereien und Brauereien der Welt: 529 Bäckereien und Konditoreien, 714 Metzgereien und immer noch 200 Brauereien, wenn da auch viele in den letzten Jahren die Segel gestrichen haben. Und eine Fülle an Dorfwirtschaften und Gaststätten mit deftiger Hausmannskost. Basis ist in vielen Fällen eine Landwirtschaft, die zwar schwer geblutet hat durch Flächenfraß und Kostendruck, immer noch aber gibt es um die 11000 kleine Familienbetriebe, Haupt- und Nebenerwerbslandwirte, die direkt um die Ecke das produzieren, was der Verbraucher von heute immer mehr sucht.

Viele Gründe

Die Gründe für diese Regionalisierung sind vielseitig: Gegentrend zur Globalisierung, Zeichen eines gestiegenen Gesundheitsbewusstseins, zahlreiche Lebensmittelskandale in den letzten Jahren, die Werte Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Vor allem aber, weil es wieder in ist, vor Ort einzukaufen, weil Lebensmittel, weil gesundes Essen vielen Menschen wieder mehr wert sind als noch vor 15 Jahren. Dafür sind große Teile der Bevölkerung auch bereit, ein wenig mehr zu bezahlen, auch wenn vor allem Besserverdienende sich das Essen vom Bauern um die Ecke eher leisten können und wollen als sozial Schwache.

Die eigenen Kartoffeln

Man kann es aber natürlich auch machen wir Kerstin Haas: Auf einem Acker des Bauernhofs der Familie ihres Lebensgefährten treffen sich jetzt ein paar Mal im Jahr Verwandte und Freunde. Sie sind Teil einer „Kartoffelkolchose“, die sie gegründet hat, und die immer mehr Anhänger findet: Im Frühjahr werden gemeinsam Kartoffeln gelegt, auch die Kinder sitzen auf einem 50 Jahre alten Trecker, vom dem die Kartoffeln in einem festen Rhythmus abgelegt werden, im Sommer trifft man sich zum Unkraut jäten und im Herbst dann zur Ernte der eigenen Kartoffeln aus der Region.

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