Rugby

Rauhe Freizeit #17

Ein ganz normaler Donnerstagabend in Coburg. Die Frühherbstsonne leuchtet hellgelb, wärmt mit ihren Strahlen. Auf einem sandigen Platz tummeln sich Volleyballer, pritschen und baggern. Daneben jagen ein paar alte Herren auf grünem Rasen einem runden Leder nach. Doch ab und zu werfen sie einen Blick auf den Nebenplatz. Dort bilden Männer ein Knäuel. Mitten auf dem Sportplatz. Das Knäuel löst sich auf, die Sportler rennen nebeneinander. Sie werfen sich einen Ball zu, mal nach links, mal nach rechts. Aber immer nach hinten, nie nach vorne. Ihr Ball ist nicht rund, sondern elliptisch. Die Spieler schreien sich an, geben Kommandos. Einer wird zu Boden gerissen, andere stürzen sich auf ihn. Es sind ungewöhnliche Szenen, die sich abspielen. Ungewöhnlich aber nur für hiesige Breiten. Die jungen Männer nämlich treiben einen Sport, der in vielen Ländern der Welt sehr populär ist und der in diesem Jahr nach 92 Jahren auch mal wieder olympisch war: Rugby. Ziel ist, den Ball hinter die gegnerischen Linien zu bringen. Wie beim Fußball oder American Football, mit denen Rugby verwandt ist. Aber mit anderen Regeln. Ein körperbetonter Sport, aber nicht brutal. Archaisch, männlich, echt. Und immer beliebter. Auch in Coburg.

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Rugby ist eigentlich eine Stadt mitten in England. Sie wäre wohl nie berühmt geworden, lägen hier nicht die Wurzeln der bis heute bekannten Ballsportart. Es ist fast zwei Jahrhunderte her, als in dieser Stadt William Webb Ellis bei einem „Fußballspiel“ den Ball mit den Händen ins Tor des Gegners legte. Das mag stimmen oder nicht, und der Fußball der damaligen Zeit hatte mit dem heutigen auch wenig zu tun – man durfte den Ball treten, werfen, tragen, aber eben nicht mit der Hand ein Tor erzielen – zur Legendenbildung taugt es jedenfalls und auch dazu, den Pokal der Rugby-Union-Weltmeisterschaft bis heute nach eben jenem Webb Ellis zu benennen. Und in Rugby selbst ist bis heute auch die Rugby School ansässig, ein Internat, aus dem das Regelwerk dieser Sportart hervorgeht, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts vom Fußball absetzte und eigenständig wurde – mit einem eigenen Verband und mit dem ersten Länderspiel, 1871 zwischen Schottland und England. Noch heute heißt es in einem Sprichwort, Fußball sei „eine von Raufbolden gespielte Gentleman-Sportart und Rugby eine von Gentlemen gespielte Raufbold-Sportart.“

Rugby ist bis heute eine Domäne der Länder des britischen Empires, des Commonwealth und einiger weiterer Nationen auf der ganzen Welt. In England, Australien und Neuseeland ist Rugby Nationalsport. Auch in Wales, Frankreich, Argentinien oder Südafrika ist der Sport sehr populär. Seit 1987 werden Weltmeisterschaften ausgetragen, einmal gewann England selbst den Titel, zweimal Südafrika und Australien und dreimal die Neuseeländer. Die legendären ganz in schwarz gekleideten „All Blacks“ sind weltweit vor allem auch berühmt durch den Kriegstanz Haka der Maori, der Ureinwohner Neuseelands, den sie vor dem Spiel tanzen. Ursprünglich aber war Rugby der Sport der britischen Einwanderer, die damit ihre Verbundenheit zum Empire zum Ausdruck brachten. Dass Rugby heute Fans und Spieler aus allen gesellschaftlichen Schichten begeistert, mag so etwas wie ein Merkmal der Sportart sein: Denn neben dem sportlichen Erfolg, neben Fitness, Kraft und Spielintelligenz sind es vor allem Teamgeist, gegenseitiger Respekt und Disziplin, die den Rugbysport ausmachen. Und ja – auch blutende Kopfwunden, Knochenbrüche oder Bänderrisse gehören zum Rugbysport, immerhin spielt man ohne Schutzkleidung. Das Verletzungsrisiko ist etwas höher als beim American Football oder Fußball. Sagt die Statistik. Vielleicht ist es auch das, was den Sport so interessant macht.

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100 000 Zuschauer beim Finale

In den letzten Jahren nämlich gewinnt Rugby auch in Deutschland Schritt für Schritt an Bedeutung. Langsam tastet man sich an die Weltspitze heran. Immerhin gelang fast die Qualifikation für das olympische Turnier, allerdings weitestgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit. Und in einer der besten Rugby-Ligen der Welt, in Frankreich, ist der deutsche Profispieler Robert Mohr einer der Stars, quasi der Dirk Nowitzki im internationalen Rugby. Er spielt in La Rochelle, in einer Liga, die boomt wie kaum eine andere: 100 000 Zuschauer wollten das Finale um die französische Meisterschaft sehen.
Davon ist man in Deutschland noch weit entfernt. Gerade einmal 124 Vereine sind Mitglied im Deutschen Rugby-Verband. Für das Nationalteam fand sich noch nicht einmal ein Trikotsponsor. Und das, obwohl man auch hierzulande bereits seit über 150 Jahren dem eiförmigen Leder nachjagt, das erste Mal verbrieft 1850 in Heidelberg. Briten aus besseren Hause brachten das Spiel an deutsche Gymnasien oder Privatschulen, auch nach Stuttgart, Bad Cannstadt oder Hannover. 1872 wurde ausgerechnet unter dem Namen Heidelberger Ruderklub der erste deutsche Rugbyverein aus der Taufe gehoben.

In Coburg hat es 144 Jahre länger gedauert, bis sich Rugbyenthusiasten formierten. Dabei hätte es genug Ansatzpunkte für eine lange Coburger Rugbytradition gegeben. Immerhin war der Gemahl von Königin Victoria, der Coburger Prinz Albert, in der Mitte des 19. Jahrhunderts häufig in England. Und immerhin, so eine These des COBURGER, trugen die „All Blacks“ aus Neuseeland ihre legendären schwarzen Trikots vielleicht auch aus Verbundenheit zu Queen Victoria, die über den frühen Tod ihres heißgeliebten Coburger Prinzen 1866 so traurig war, dass sie die über dreißig Jahre lang bis zu ihrem eigenen Ableben nur noch schwarze Kleidung trug.

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Seit 2015 Rugby auch in Coburg

So aber dauerte es bis ins Jahr 2015, als der heutige Jugendleiter Daniel Bätz vom Gymnasium Alexandrinum im Schulunterricht das erste Mal Rugby spielte. Er und seine Freunde waren sofort begeistert und trafen sich regelmäßig zum Spiel mit dem Lederei. Immer mehr Spieler schlossen sich der kleinen Truppe an. So war es nur noch ein kleiner Schritt zur Gründung einer Rugby-Abteilung des TV 48 Coburg. Mit Franz Roth konnte man zudem einen Trainer und heutigen Abteilungsleiter gewinnen, der selbst lange Jahre mit Rottweil und Frankfurt in der 1. Rugby-Bundesliga spielte und sogar zweimal für die Nationalmannschaft berufen wurde. Spieler wie Maxime Pommepuy mit Rugby-Erfahrung aus Frankreich kamen dazu. Heute sind schon über 45 Spieler Mitglied beim TV 48, eine bunte internationale Truppe mit Spielern aus verschiedenen Ländern, junge Coburger neben ausländischen Studenten, die alle eines gemeinsam haben: Sie nennen sich ganz selbstbewusst Coburg Wolves, starten Anfang Oktober in ihre erste Saison in der Verbandsliga Nord und wollen gleich in die Regionalliga aufsteigen. Außerdem legt die Abteilung viel Wert auf die Jugendarbeit, will Rugby an den Coburger Schulen verankern. Das wollen Handball, Basketball und Fußball auch, mit dem kernigen Männersport aber haben sie jetzt eine echte Konkurrenz bekommen.

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Autor: Wolfram Hegen

Bildquellen: Coburg Wolves; Shutterstock.com

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