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Soll ich klagen oder nicht? #37

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SOLL ICH KLAGEN ODER NICHT?

Einige von uns waren vielleicht schon mal in der Situation: Ein erträglicher Streit mit dem Nachbarn, der Arbeitgeber hat einem gekündigt, das Auto hat einen höheren Schadstoffausstoß als angegeben oder die Versicherung zahlt nicht. Man will sich eigentlich nicht streiten, aber irgendwann schaukelt es sich so hoch, dass man sich fragt, ob man sich alles bieten lassen muss. Der COBURGER sprach mit Rechtsanwalt und Steuerberater Thomas Bittorf von tb.legal, was bei der Entscheidung über eine Klageerhebung zu beachten ist.

COBURGER: Standen Sie selbst schon einmal vor der Entscheidung, ob Sie persönlich eine Klage erheben?

Thomas Bittorf: Nein, bislang zum Glück nicht, obwohl ich einmal kurz davor war. Aber als Anwalt ist man nahezu täglich mit dieser Frage konfrontiert.

COBURGER: Was sind die relevanten Kriterien, die man bei einer Klage berücksichtigen muss?

Thomas Bittorf: Zum einen geht es natürlich um die Erfolgsaussichten einer Klage. Ist es wahrscheinlich, dass ein neutraler Dritter wie das Gericht die Angelegenheit genauso beurteilt wie der Mandant selbst? Man muss sich also in die Rolle eines objektiven Richters hineinversetzen, dem der Sachverhalt präsentiert wird, der sich aber genauso die Argumente der anderen Seite anhört und bewertet. Weiterhin ist das Kostenrisiko zu berücksichtigen. Der Mandant will in der Regel wissen, welche Kosten auf ihn zukommen. Wenn er gewinnt, muss zwar der Gegner die Kosten tragen. Wenn er jedoch verliert, trägt er alle Kosten, auch die des gegnerischen Anwalts. Bei einem Verglich wird gequotelt. Man darf auch die Kosten der 2. Instanz nicht außer Acht lassen, die der Gegner bei einem verlorenen Prozess erster Instanz beschreiten kann. Schließlich darf man die Dauer eines solchen Verfahrens und die damit verbundene psychische Belastung nicht unterschätzen. Gerade letzteres ist ein wesentlicher Faktor, wenn immer wieder Post vom Anwalt oder Gericht kommt.

COBURGER: Was ist entscheidend oder was raten Sie gewöhnlich?

Thomas Bittorf: Das ist immer eine Einzelfallentscheidung. Bei Privatpersonen ist v. a. das Kostenrisiko ein sehr entscheidender Faktor. Wenn man eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, die in dem konkreten Fall eine Deckungszusage für die Übernahme der Kosten erklärt, ist das sehr hilfreich. Zudem prüft sie vorher unabhängig vom Rechtsanwalt, ob die Sache gewisse Erfolgsaussichten hat. Wenn keine Rechtsschutzversicherung besteht, wie dies meist im Geschäftsverkehr der Fall ist, besteht ein erhöhter Aufklärungsbedarf über die Kosten. Die Frage ist stets, ob eine Klage als letztes Mittel wirklich erforderlich ist

COBURGER: Das heißt, Sie raten auch ab und zu von einer Klage ab?

Thomas Bittorf: Natürlich. Wenn absehbar ist, dass voraussichtlich unter Abwägung der Beweislage am Ende ein erhebliches Risiko verbleibt, gehört es zu den Pflichten eines sorgfältigen Rechtsanwalts, gegebenenfalls auch von einer Klage abzuraten. Man sollte wirklich vorher alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um ohne die Anrufung des Gerichts zu einer Lösung zu kommen. Denn auch bei einer Klage machen die Richterinnen und Richter erst einmal nichts anderes. Sie fragen gleich zu Beginn der Verhandlung nach, ob nicht eine gütliche Lösung zwischen den Parteien möglich ist, das Gesetz sieht dies so vor. Natürlich entscheidet das Gericht am Ende auch durch Urteil, wenn keine Einigung möglich ist. Aber es gibt meistens auch noch eine zweite Instanz, die die Beweis- und Rechtslage manchmal auch abweichend beurteilen kann. Das primäre Ziel – auch bei Gericht – ist stets die Herstellung des Rechtsfriedens. Dieser lässt sich in vielen Fällen durch einen Vergleich am besten verwirklichen. Und wenn die Einigung beiden Seiten „wehtut“, ist es ein guter Vergleich, wie Richterinnen und Richter gerne sagen.

COBURGER: Gibt es Sachen, bei denen eine Klage notwendig oder unausweichlich ist?

Thomas Bittorf: Dies gibt es natürlich. Zu einer Einigung gehören immer zwei Parteien, und wenn eine Seite, aus welchen Gründen auch immer, nicht will, muss eben das Gericht entscheiden. Im Arbeitsrecht ist zum Beispiel nach einer Kündigung die Erhebung einer Kündigungsschutzklage der Regelfall, oft auch, um eine Sperrzeit zu vermeiden. Im Familienrecht kommt man meist ohne das Gericht nicht aus. Bei Scheidung sowieso, aber auch, wenn es z. B. um Unterhalt und Zugewinn geht. Das gleiche gilt bei Unfällen jeder Art, wenn es man Schadensersatz oder Schmerzendgeld heben möchte und die Versicherungen dies aber leider oft anders sehen.

COBURGER: Was raten Sie unseren Lesern, wenn Sie einen Rechtsanwalt oder eine Rechtanwältin aufsuchen?

Thomas Bittorf: Es muss ein Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant aufgebaut werden. Der Mandant muss ehrlich und offen sein, damit der Anwalt ihn richtig beraten kann. Je offener die Kommunikation, umso besser. Rechtsanwälte sind gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet, so dass sich der Mandant hierum nicht zu sorgen braucht. Dann kann man zusammen den sichersten und auch effektivsten Weg wählen – im Idealfall, ohne eine Klage bei Gericht erheben zu müssen, die immer „ultima ratio“ sein sollte.

COBURGER: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

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