Sonderthema Sicherheit: Mit der 112 Leben retten #55

Von Gabi Arnold | Fotos Val Thoermer

Sicherheit rund um die Uhr

Es beginnt wie ein normaler Prüfungstag: Ein 16-jähriger Fahrschüler möchte seine Führerscheinprüfung auf einem Kleinkraftrad ablegen. Nach wenigen Metern fällt der Prüfling um und verliert sein Bewusstsein. Die Integrierte Leitstelle in Ebersdorf nimmt den Notruf entgegen. Bernd T. ist der Disponent am anderen Ende der Leitung. Jetzt geht es schnell. Bernd T. informiert, beruhigt und alarmiert Rettungswagen und Notdienst. Der Fahrlehrer leistet Erste-Hilfe. Das ist ein Erlebnis aus jüngster Zeit, das Bernd T. besonders berührt hat.

Wir sind an einem Donnerstagabend zu Besuch in der Integrierten Leitstelle (ILS) in Ebersdorf bei Coburg. Die Uhr zeigt kurz vor 21 Uhr. Kerstin M., die Schichtführerin, empfängt uns am Eingang. Einige Stufen führen hinauf, in einem großen Raum befinden sich mehrere Arbeitsplätze und Monitore. Pizza, Kaffee und Obst helfen während der Nachtschicht, fit zu bleiben. Heute haben Kerstin M., Bernd T. und Andreas R. Dienst. Die Drei sind seit 18.30 Uhr im Einsatz, bis 6.30 Uhr werden sie noch im Dienst sein. Am Arbeitsplatz von Bernd T. leuchtet eine Lampe orange. Das Licht signalisiert, dass Bernd T. einen Anruf entgegennimmt. Kerstin M. sagt, dass seit Beginn der Schicht etwa 20 bis 30 Anrufe eingegangen sind. Es ist ein ruhiger Abend.

„Heute ist es ruhig. Es gibt Tage, da klingelt es jede Minute.“ – Kerstin M.

Wenn ein Notfall eintritt, wenn es zum Beispiel auf der Autobahn kracht, wenn ein Feuer in einem Wohnhaus lodert oder wenn Wasser Häuser überflutet, wählt man in Europa den Notruf 112. Die Anrufe drehen sich meist um Stürze, Schlaganfälle oder Herzinfarkte, sagt Kerstin M. „Das sind bei uns die Standardanrufe.“

Es klingelt erneut, dieses Mal nimmt Andreas R. den Anruf entgegen. Der Patient am anderen Ende der Leitung klagt über Atemnot und stechende Schmerzen in der Brust. Diese Symptome sind für die Mitarbeiter der ILS immer ein Alarmsignal. Das könnte ein Herzinfarkt sein. „Bitte bleiben Sie ruhig, setzen Sie sich hin.“ Der Disponent erklärt, dass ein Rettungswagen und ein Notarzt auf dem Weg sind. Der Notruf wird nun in das System aufgenommen, der nächste freie Rettungswagen und ein Notarzt werden verständigt.

Die Rettungswachen in der Stadt und im Landkreis Coburg sind an 15 Standorten rund um die Uhr besetzt. Dadurch wird gewährleistet, dass die Hilfe innerhalb von zehn bis fünfzehn Minuten am Einsatzort eintrifft. Bei Schneechaos oder Auffahrunfällen können die Disponenten zusätzliche Ressourcen nutzen. Zu der sogenannten Spitzenabdeckung kommen auch ehrenamtliche Einsatzkräfte des Arbeiter-Samariter-Bundes, des Bayerischen Roten Kreuzes und anderer Hilfsorganisationen mit ihren schnellen Einsatzgruppen zum Geschehen.

„Wir alle haben unser Hobby zum Beruf gemacht“ – Andreas R.

Handyortung

Kerstin M. erklärt, dass Handys der neuen Generation erkannt und erfasst werden. Die Handyortung ist beispielsweise hilfreich bei der Suche nach einer vermissten Person. Wenn jemand in unwegsamen Gelände in eine Notsituation gerät, wird die Bergwacht angefordert. Mit Leidenschaft und Herzblut Kerstin M., Andreas R. und Bernd T. sind seit vielen Jahren mit Leidenschaft und viel Herzblut bei der Sache. Trotz Schichtarbeit und großer Verantwortung. „Wir alle haben unser Hobby zum Beruf gemacht“, sagt Andreas R. Am Ende des Tages zu wissen, dass man geholfen hat, das sei ein gutes Gefühl, ergänzt Kerstin M. Es gibt viele Geschichten zu erzählen, auch traurige, wie den Anruf einer Kollegin, die als letztes mit Kerstin M. gesprochen hat und mit nur 46 Jahren an einer Lungenembolie gestorben ist. Bernd T. berichtet von einer älteren Dame, die sich für ihren Anruf entschuldigt hat. Sie litt unter Atemnot, fühlte sich schwindelig und hatte Schweißausbrüche. „Der Frau ging es so schlecht, sie hatte einen Hinterwandinfarkt, es war höchste Zeit, sie musste sofort auf die Intensivstation.“

Auch diese Verhaltensweise ist zunehmend anzutreffen: Anrufer fordern einen Notarzt und Rettungswagen, egal ob Husten, Schnupfen oder Heiserkeit. Aber auch kuriose Geschichte geschehen, wie die einer Frau, die im Regen über die Klippen des Staffelbergs gefahren ist und unverletzt blieb. Die Rettungskräfte kamen zum Einsatzort, doch von der Person fehlte zunächst jede Spur.

Emotionale Momente

Und dieses Erlebnis von dem 16-jährigen Jungen, der bei seiner Führerscheinprüfung das Bewusstsein verloren hat und reanimiert werden musste. Dank der schnellen Hilfe und des beherzten Einsatzes des Fahrlehrers konnte er ins Leben zurückgeholt werden. Vermutlich leidet er an einer angeborenen Herzkrankheit. Der junge Patient wurde mit einem Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik gebracht, aus der er nach 14 Tagen wieder entlassen wurde. Bei einer BRK-Kreisverband-Feier hat Bernd T. den Jungen und seine Familie getroffen und erfahren, dass es ihm gut geht und er sogar wieder Fußball spielt. „Es war auch nach 32 Dienstjahren sehr emotional, wie er mir gegenübersaß. Ich habe mit den Tränen gekämpft“, sagte Bernd T. Denn nicht immer gehe eine Wiederbelebung so gut aus, weiß der Disponent. Nach dreieinhalb Stunden ist es Zeit für eine Pause. Die Mitarbeiter ziehen sich in einen Bereitschaftsraum zurück, sie ruhen sich aus oder sehen fern. Gegen 6.30 Uhr endet die Nachtschicht, der Tag erwacht. Für die Disponenten ist es Zeit, zu schlafen. Bis zum nächsten Dienst.

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