Sonderthema Utopien – Renaissance alter Werte #46

Die Renaissance der alten Werte

Interview mit Philipp Maderthaner

Die Corona-Pandemie hat nicht nur viele Menschenleben gekostet, der Umgang mit ihr auch hat viele Diskussionen ausgelöst, hat Keile in die Gesellschaft getrieben, schwelende Entwicklungen befeuert. Ohne Zweifel einer der tiefsten Einschnitte der jüngeren Vergangenheit, für manche Generation die erste wirkliche Krise. Was alle jetzt aber verbindet, ist die Frage: Wie geht es weiter? Wie werden wir nach dieser Erfahrung leben? Der COBURGER hat sich dazu mit Philipp Maderthaner unterhalten. Der erfolgreiche Unternehmer, Keynote-Speaker, Unternehmensberater und Kampagnenchef sprach auf Einladung des Rotary Club Coburg im Rahmen des Formats „Boost the Youth“ im Juli vor Schülerinnen, Schülern und Auszubildenden.

COBURGER: Wie schätzen Sie die Kraft von Utopien ein? Haben Utopien die Kraft zur Veränderung?

Philipp Maderthaner: Wenn Du keine Ziele hast, wirst Du irgendwo ankommen, aber vermutlich nicht da, wo Du hinwillst. Ich bin ein großer Freund von Zielen, ein großer Freund von Visionen, weil ich überzeugt bin, dass sie Menschen extreme Kraft geben. Wir haben das gerade in der Corona-Pandemie gesehen: Das Licht am Ende des Tunnels, die Aussicht, dass sich die Dinge wieder zum Guten wenden, das macht den Menschen Mut, das gibt ihnen Kraft. Das heißt, wir brauchen unbedingt eine Vision, weil es das ist, was uns am Leben hält.

COBURGER: War und ist Corona auch eine Chance für neue Utopien?

Philipp Maderthaner: Ich glaube, man muss bei Krise als Chance immer vorsichtig sein. Krise bedeutet für viele, gerade auch in der Corona-Pandemie, wirklich Krise, existenzielle Sorgen, weil Arbeitsplätze wegbrechen, weil Unternehmen schlechter laufen. Aber natürlich gibt es auch den Bereich, wo Krise zur Chance wird, wo wir nach vorne blicken können und überlegen, was können wir besser machen in Zukunft. Also beides existiert nebeneinander in der Krise.

COBURGER: Der Mensch lässt sich oft dazu verleiten, die Zukunft auf Basis des aktuellen Zustandes linear hochzurechnen. Das gibt das Gefühl der Sicherheit, der Kontrolle. Meistens kommt aber alles anders. Fehlt uns die Fähigkeit, Undenkbares zu denken?

Philipp Maderthaner: Ich glaube, es gibt einen Widerspruch, den wir Menschen nur schwer auflösen können. Wir suchen stetig nach Sicherheit, wir wollen uns immer sicher fühlen, wie entwickeln sich die Dinge, wird es gut, wird es schlecht, wo geht die Reise hin. Und gleichzeitig, so ehrlich müssen wir sein, sind wir nicht einmal in der Lage, das Wetter von morgen vorherzusagen. Also Sicherheit halte ich in vielerlei Hinsicht für Wunschdenken, wir haben in Wahrheit keine Ahnung, was die Zukunft bringt, niemand hat die Corona-Pandemie vorhergesehen, niemand hat andere große Krisen vorhergesehen, genauso wird es mit den Aufschwüngen sein, wird es mit den Innovationen sein. Die Kunst ist, glaube ich, sich darauf einzustellen, wie wir auf der Welle, die gerade da ist, richtig surfen.

COBURGER: Es gibt Megatrends, die weit in die Zukunft hineinwirken, welcher Megatrend wird Ihrer Meinung nach unser Leben in den nächsten Jahren stark beeinflussen?  

Philipp Maderthaner: Ich glaube, dass es wieder einen großen Trend zu mehr Tiefe geben wird. Wir erleben in den letzten zehn Jahren durch den Aufstieg sozialer Netzwerke eigentlich den Aufstieg der Oberflächlichkeit, wenn man so will. Menschen inszenieren sich und präsentieren sich auf social media in ihrer idealen Form, aber die Tiefe dahinter geht verloren. Das hat und wird auch noch viele Unternehmen dazu verleiten, sich über die Oberfläche zu definieren. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir vor einer Zeit stehen, in der es sehr stark auch wieder um die Substanz gehen wird. Das hat die Corona-Pandemie gezeigt. Die Unternehmen, die gut durch die Krise gekommen sind, sind die, die in ihrer Substanz stark sind. Deswegen glaube ich, die Tiefe wiederzuerlangen, auch Werte wieder neu zu definieren, das ist sicher etwas, was uns die nächsten zehn Jahre beschäftigen wird.

COBURGER: Das heißt auch ein Zurück zu alten Werten?

Philipp Maderthaner: Ich denke schon, dass auch viele sogenannte alte Werte wieder eine Renaissance erleben werden, weil wir ja immer Pendelbewegungen haben. Wir haben durch den Aufstieg von social media zunächst erlebt, dass wir eine enorme Vernetzung bei den Menschen sehen, enorme Konnektivität, und jetzt fast eine Gegenbewegung haben, einen Rückzug ins Individuelle, also diese Pendelbewegungen haben wir immer. Gleichzeitig haben uns social-media ja auch viel beschert an Extremismus, an Hass. Das heißt, Werte wie respektvoller Umgang werden eine neue Konjunktur erleben. Sie müssen eine neue Konjunktur erleben, wenn wir ein vernünftiges Zusammenleben sicherstellen wollen.

COBURGER: Wie also werden wir leben in Zukunft?

Philipp Maderthaner: Ich wünsche mir eine Gesellschaft, wo wir einander positiv begegnen, das ist mein Wunsch. Ich glaube, dass wir lernen müssen, in einer Art und Weise miteinander umzugehen, egal ob das im Privaten ist oder am Arbeitsplatz, gegenüber Führungskräften oder Kolleginnen und Kollegen, wo wir eine respektvolle Basis im Miteinander schaffen, sodass wir gemeinsam wachsen können. Ich glaube, die Welt stellt so viele Herausforderungen für uns bereit, dass wir genug damit zu tun haben, diese Herausforderungen zu bewältigen. Wir tun gut daran, uns nicht dazu bringen zu lassen, dass wir gegeneinander arbeiten, sondern miteinander.

Die Fragen stellte Wolfram Hegen.

 

 

Philipp Maderthaner

Geboren 1981

Studium der Internationalen Betriebswirtschaft in Wien

Bis 2011 verantwortlich für Kampagnen der ÖVP

2012 Gründung der eigenen Kampagnen-Agentur „Campaigning Bureau“

2013 Partnerschaft mit der Kampagnenagentur von Barack Obama

2017 Mitverantwortlich für die Kampagne bei der erfolgreichen Kanzlerwahl von Sebastian Kurz in Österreich

2019 Gründung der Business Gladiators GmbH mit Sitz in Wien und Berlin

Mehrfacher Preisträger (Reed Awards, Rising Star Award, Gründer des Jahres, Unternehmer des Jahres uvm.), mehrfacher Unternehmer, Unternehmensberater, Coach, Buchautor

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