Elke Gillardon

Sonderthema WISSEN:
Das Interview #19

Gesponsorter Beitrag

DER FAKTOR MENSCH

Fakten, Formeln und Funktionen – Wissen wird heute so professionell vermittelt wie nie zuvor, sagt Elke Gillardon, die sich seit vielen Jahren mit der Jugendbildung und Berufsorientierung an der Schnittstelle von der Schule zum Beruf beschäftigt. Aber eben auch, dass dabei ein wichtiger Faktor immer mehr verloren geht: der Mensch und sein Potential. Wir haben uns mit ihr unterhalten.

Frau Gillardon, was meinen Sie mit „der Mensch und sein Potential“?
Das heutige System reduziert den Menschen auf seine Funktion, Rolle oder Aufgabe. Darüber wird man identifiziert. „Schüler“, „Lehrer“, „Eltern“ zum Beispiel. Damit ist keine wertfreie Sicht mehr möglich. Genau das müssen wir aber tun: Den Menschen in seiner Ganzheit in den Mittelpunkt stellen. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen müssen wir Begabungen, Talente, Qualitäten erkennen und entwickeln. Potentiale hat jeder, sie verkümmern aber in einer reinen Wissensgesellschaft. Wissen kann man ja lernen, Fakten recherchieren. Aber emotionale Intelligenz, Problemlösungskompetenz, Selbstreflexion sind für den persönlichen Erfolg und letztlich auch für die Wirtschaft 4.0 doch wichtiger denn je. Das wird uns niemals ein Roboter abnehmen können.

Wo beobachten Sie das in ihrer täglichen Arbeit?
Das lässt sich an vielen Schulen und Bildungseinrichtungen erkennen: Da wird ganz hervorragend Wissen vermittelt. Hochprofessionell, mit Einsatz neuer Ressourcen, modernen Medien. Die Schulen machen wirklich einen guten Job. Was dabei aber auf der Strecke bleibt, ist die Fähigkeit, dieses Wissen auch zu vernetzen, anzuwenden, zu transferieren auf konkrete Sachverhalte, zur Problemlösung einzusetzen. Das Denken in Zusammenhängen, das strategische Durchspielen von Vorgängen gehen zunehmend verloren. Dabei hat jeder diese Potentiale grundsätzlich in sich, sie bleiben eben aber auf der Strecke. Wenn man so will, haben viele junge Menschen heute perfektes Wissen über alle Zutaten für ein leckeres 3-Gänge-Menü, aber keine Idee, was sie damit anfangen sollen.

Was bedeutet das konkret?
Bei Schülern merken wir sehr oft, dass sie Situationen oder Menschen perfekt beschreiben können, ein Thema professionell aufarbeiten, aber demgegenüber wenig Fähigkeiten zur Analyse haben, zur Erklärung oder Begründung, warum etwas oder jemand so ist wie er ist, was die Hintergründe sind, die Zusammenhänge, die Querverbindungen. Dabei käme es genau auf diese Mehrdimensionalität an.

Wo sehen Sie die Gründe?
Das ist natürlich schon auch eine Zeiterscheinung. Zum einen gibt es heute viele elektronische Hilfsmittel, die einem das Leben leicht machen. Das ist gut, hilft natürlich immens bei der schnellen Wissensvermittlung, auf der anderen Seite neigt man dann natürlich eher dazu, weniger nachzufragen, stimmt das wirklich, woher stammt die Information, ist das wirklich wahr. Zum anderen arbeiten junge Menschen heute oft im Team, denken wenig hierarchisch, funktionieren, ordnen sich unter, fallen nicht auf, das wird ja auch gefordert. Viele hängen dadurch aber in so einer Art Komfortzonenschleife drin. Wirkliche Individualität, Persönlichkeit, Qualität, Verantwortungsbereitschaft aber gehen dabei leider oft verloren, Lösungen erarbeiten jenseits der Standards, Querdenken. Aber gerade das ist in einer Wissensgesellschaft ja wichtiger denn je.

Was sollte also das Ziel sein nach ihrer Meinung?
Wir sollten an einer kooperativen Beziehungs- und Beteiligungskultur arbeiten, nicht nur an einer reinen Wissensgesellschaft. Wir sollten den Menschen in den Mittelpunkt stellen, wertfrei, nicht seine Rolle, seine Funktion oder Aufgabe.

Elke Gillardon:

Elke Gillardon ist Initiatorin und Vorstand der Stiftung Lebenspfad. Seit sieben Jahren beschäftigt sie sich mit Jugendbildung und Berufsorientierung an der Schnittstelle Schule zum Beruf, hat verschiedene Formate für Schulen in ganz Oberfranken entwickelt, unter anderem das Projekt „Der Business-Führerschein“, ein Schülercoaching und Kompetenztraining, das vor allem einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt.

Sie ist seit über 25 Jahren selbständig im Bereich Strategieberatung.

www.stiftung-lebenspfad.de | www.gillardon.org

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