Essen im Vorbeigehen
Fischsemmel, Burger oder Döner an der Straßenecke – das sind nicht nur kleine Mahlzeiten zwischendurch, nein, das ist heute „Streetfood“. So ein Anglizismus klingt moderner und hipper. Und vor allem ist Streetfood natürlich auch internationaler als nur die allseits beliebte Coburger Bratwurst auf dem Markt. Das zeigen zahlreiche Streetfood-Festivals wie eines kürzlich auch in Coburg, kulinarische Entdeckungsreisen in die Garküchen aller Herren Länder. Imbiss ist überall. Und gesünder als man gemeinhin denkt.
Die Welt is(s)t mobil
Die Bedeutung von Streetfood weltweit steigt Jahr für Jahr an. Immer mehr Menschen leben in Städten, arbeiten tagsüber in Büros oder Fabriken fernab der eigenen vier Wände, sehen die Familie nur abends, am Wochenende oder noch seltener, sind als Single unterwegs, immerzu auf Reisen oder zumindest jeden Tag zwölf und mehr Stunden auf den Beinen. Da bleibt zum Selbstkochen oder sich Zuhause Bekochen-Lassen wie in der „guten alten Zeit“ kaum die Gelegenheit.
Dafür gibt es ja mehr und mehr Convenience-Produkte aus dem Lebensmittelmarkt, moderne Gastronomietechnik, und vor allem eine tausendjährige Tradition des Kochens: Zweieinhalb Milliarden Menschen waren es laut den Ernährung- und Landwirtschaftsorganisationen der Vereinten Nationen schon 2007, die sich täglich von Streetfood ernähren, in Deutschland greift aktuell jeder Dritte mindestens einmal am Tag zum Snack von der Straßenecke.
Echte Streetfood-Fans legen dabei Wert auf den Unterschied zum Fastfood: Mit Systemgastronomie möchte man nichts zu tun haben, Streetfood werde frisch zubereitet, frisch gebraten, gedünstet, belegt, sagen sie. Und Streetfood ist prinzipiell regionaltypisch. In Coburg die Bratwurst, in Mexiko Tortillas, in Burundi geröstetes Zuckerrohr. Mittlerweile aber gibt’s fast alles überall.
Die Welt is(s) t vielfältig
Das Prinzip ist weltweit annähernd dasselbe: Meistens sind es Einzelunternehmer oder Familien, die einen oder mehrere Stände betreiben, mal sind diese fest installiert, mal handelt es sich um einfache Buden, mal sind die mobilen Köche als fliegende Händler mit besseren Bauchläden unterwegs oder eben neudeutsch in Foodtrucks, die aus der schnellen Nahrungsaufnahme zwischendurch heutzutage fast so etwas wie eine neue Jugendkultur machen. Eine clevere Marketingidee, die ankommt. Die Wurzeln des Essens im Vorbeigehen aber liegen woanders: Vor allem die dichtbesiedelten Städte Asiens sind wahre Paradiese für die Freunde des besonders Snacks. Stand an Stand präsentieren sie ihre Angebote. In den Garküchen brodelt, dampft und brutzelt eine bunte Vielfalt an lokaltypischen Spezialitäten, oft mit Reis, Nudeln, frischen Gemüsen, Hühnchen, Fisch. Besser kann man es selbst kaum zubereiten, abwechslungsreicher auch nicht, und günstig sind die Speisen von der Straße auch. Klar: Der Straßenhändler braucht kaum Personal, macht nahezu alles in Eigenregie, und ein mobiler Stand oder eine Imbissbude sind auch billiger als Miete, Raten und Nebenkosten für eine Immobilie. Gerade in Gebieten mit einem größeren Anteil ärmerer Bevölkerung sorgen die fliegenden Händler damit auch für in der Regel gesunde und regionaltypische bezahlbare Nahrung. Und verdienen sich mit ihrem Angebot gleichzeitig ihren Lebensunterhalt. Das sind dann wohl die so oft beschworenen lokalen Wirtschaftskreisläufe: Jeder vor Ort hat etwas davon. Auch in den Städten Afrikas bildet der Snack an der Straßenecke fast schon so etwas wie die Grundversorgung großer Teile der Bevölkerung. Und ist zugleich auch Beleg für die kulturelle Vielfalt des Kontinents. Jeder Staat, jede Region verfügt über besondere Spezialitäten. Nicht anders in Süd-, Mittel- und Nordamerika, Vorderasien, Süd-, Ost- und Nordeuropa. Viele dieser kleinen Mahlzeiten und Leckereien aus den Regionen der ganzen Welt haben in den letzten Jahrzehnten durch Migranten ihren Weg auch nach Deutschland angetreten und sich neben den Curry- und Bratwurst-, Fisch- und Pommesbuden einen festen Platz erarbeitet: Döner ohnehin, Falafel, Curry, Glasnudeln, Tortillas und natürlich Burger, die schon längst dem Fastfood-Image entkommen sind und sich heute – einfallsreich kombiniert, garniert und serviert – schon zum eigenen Kult entwickelt haben. Und – nur fürs eigene Selbstwertgefühl: auch Deutschland exportiert fleißig sein „Streetfood“: Currywurst gibt’s nicht nur in Berlin.
Die Welt is(s) t gesünder als man meint
Currywurst mit fettigen Pommes, dicker Pizzateig mit Formatschinken, Salami und Extra-Käse, Hamburger im pappigen Weißmehlbrötchen: Das schnelle Essen zwischendurch galt jahrelang als Dick- und Krankmacher. Ein Imbiss musste satt machen, und die Auswahl war ja auch beschränkt – Friss und stirb.
Diese Zeiten sind zwar nicht vorbei, wer sich vollstopfen möchte, kann das immer noch tun und hat ja auch das gute Recht dazu, aber wer möchte, kann sich auch auf der Straße heute gesünder und leichter ernähren als noch vor zwei Jahrzehnten: Mehr Vielfalt auch für den schnellen Hunger macht es möglich. Mehr Gemüse, mehr Salate, mehr Fisch und leichtes Fleisch, weniger Fett, weniger Zucker und auch mal Vollkorn, alles das gibt es heutzutage auch in Snackform an der nächsten Ecke.
Und wenn man beim Kochen auch noch zuschauen kann, kann man sich noch etwas sicherer sein, dass man seinem Körper etwas Gutes tut. Manch Imbissbude entwickelt sich auf diese Weise zum Gourmettempel, verschwimmen die Grenzen zwischen Restaurant und einfach nur einer schnellen Zwischenmahlzeit. Für den Urlaub in exotischen Ländern freilich gelten manchmal andere Vorsichtsmaßnahmen, die man beachten sollte. Guten Appetit.
Was Streetfood betrifft, kann niemand Coburg etwas vormachen. Wir sagen nur: Bratwurst.
Autor: Wolfram Hegen
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