Im letzten Magazin hatten wir Bilder aus seiner Sammlung in unserer Galerie. Stars in Schwarzweiß: David Bowie, die Stones, Madonna und viele mehr. Abgelichtet von Fotografen mit Weltruf. Es ist die Sammlung eines Coburgers, der auszog, die Welt zu entdecken, der in der Showszene Stars entdeckt und Topmodels betreut hat, und der seit einigen Jahren wieder in Coburg lebt: Peter Achtzehn.
Wir treffen uns nicht in einem nüchternen kalten Büro, sondern auf ein wärmendes Bier an einem ebensolchen Kamin in einer ebensolchen Kneipe, immer beobachtet von den Augen der Stars an den Wänden, die jeden mustern, der hinein- oder hinausgeht, Platz nimmt, verweilt, isst, trinkt, redet, als ob nicht sie die Berühmtheiten wären, sondern die Gäste des Lokals, so wie Peter Achtzehn einer ist, sehr oft, er ist befreundet mit dem Inhaber, und so wie Bobby einer ist, der neunjährige chinesische Faltenhund an seiner Seite, wahrscheinlich die längste Beziehung des Weltenbummlers, der nämlich immer, wenn ihn ein Job gelangweilt hat, wenn es ihm zu eng oder zu perfekt geworden ist, weitergezogen ist, allzu lange Bindungen scheut, immer noch Single ist, dafür einer ist, der „immer nach vorne schaut“, der keine Angst hat, als Ergebnis viel zu erzählen hat, vielleicht deswegen so zufrieden wirkt, jünger auch als andere Menschen mit fast 60. „Der Hund hält mich fit, und das Leben jung.“
„Immer wenn etwas gut läuft, suche ich etwas Neues. Das ist eigentlich verrückt“
Peter Achtzehn über sein Leben
Dramen
Dabei haben seine ersten Lebensjahre den Stoff, der andere zerstört: Er ist gerade drei, da stirbt sein Vater bei einem Verkehrsunfall. Und in das Leben seiner Mutter passt er alleine nicht hinein. Sie lebt ihr Leben weiter, „eine Reisende“, wie Achtzehn sie nennt, vielleicht lebt er, der irgendwie Unstete, ja auch dieses Leben, schon früh programmiert, verletzt durch den Verlust der Eltern, dadurch aber auch angstfrei, was nämlich soll ihm noch passieren. Er bekommt Halt von seinen Großeltern in Hollfeld, die ihn aufnehmen, ihm zu Vater und Mutter werden. „Die waren froh, hatten zwei Töchter, ich war der Sohn, den sie nie hatten.“ Zur echten Mutter drängt es ihn noch einmal, mit 16. Da nämlich lässt er zum zweiten Mal ein Leben hinter sich: Nach der Schule geht er zur Mutter nach München, doch der Versuch scheitert, „ich hatte überhaupt keinen Bezug zu ihr.“ Auch seine Lehre bricht er ab, Schauwerbegestalter wollte er werden.
Spurwechsel
Dennoch findet er in München den Weg vom holprigen Lebenspfad auf die richtige Spur: Nebenher nämlich legt er immer Musik auf, „in den guten Clubs Mitte der 70er Jahre“, ein „tolles Leben“, er verdient 2000 Mark im Monat, viel Geld, legt einiges zurück, er hat noch etwas vor in seinem Leben. Dann lernt er Ado Schlier kennen von Bayern 3, und stellt einmal die Woche „immer Freitagabend 23 Uhr“ in „Peters Popshop“ neue Musiktrends der internationalen Musikszene vor, „zwei Studios nebenan saß Thomas Gottschalk“. Doch Achtzehn ist noch keine 18, da hört er auf bei Bayern 3, stoppt einen Lebensweg, der gerade erst beginnt. „Immer wenn etwas gut läuft, brauche ich etwas Neues. Das ist eigentlich verrückt. Wenn Du ein Grübler bist oder auf Sicherheit bedacht, dann kannst du so ein Leben nicht führen“.
Zufälle
Peter zieht nach New York. Ein Zufall hilft ihm, dort eine Wohnung zu finden: Jean-Claude Baker, ein Bekannter von Radio France USA muss nach Europa, Peter kann die New Yorker Wohnung des Adoptivsohnes von Josephine Baker nutzen. Er studiert ein paar Semester an der New School Promotion, Public Relations und Marketing, nebenher legt er in New Yorker Clubs auf und lernt – ein weiterer Zufall – Seymour Stein kennen, den Leiter von Sire Records, Produzent von Stars wie den Ramones, Madonna und vielen anderen. Seymour bietet ihm ein Praktikum an: Peter könne doch für das bekannte Label die europäische Musikszene beobachten.
Durchbruch
Achtzehn wechselt nach London, zieht Nacht für Nacht durch die Clubs, immer auf der Suche nach den Stars von morgen. In einem Club erlebt er die Ska-Band Madness, damals noch unbekannt, Peter lässt sich ein Demo geben und schickt es zu Sire Records. „Madness ist in Amerika eingeschlagen wie eine Bombe“, sagt er – sein Durchbruch. Er wird mit Anfang 20 zum wohl jüngsten A&R-Manager der Branche, kümmert sich um Nachwuchs für das Plattenlabel. Das hört sich schöner an als es ist, räumt er ein: „Du schlägst Dir Nächte in verrauchten Clubs um die Ohren und hörst grottenschlechte Musik.“ Die wenigsten Bands nämlich haben Potential. „Mit Glück 2 von 100.“ Peter Achtzehn hat dieses Händchen, oder besser ein Ohr für den Geschmack des Publikums, als er zum Beispiel Kid Creole & The Coconuts entdeckt, die in den 80ern mit einigen Hits in die Charts weltweit kommen. Er holt zwei goldene Schallplatten, kümmert sich in London und Paris um die Künstler des Labels, „die musst Du ja richtig bemuttern zum Teil“, lebt fünf Jahre aus dem Koffer, verdient gut, zu gut wohl.
Modelwelten
Sein Job beginnt ihn zu langweilen. Und eröffnet ihm gleichzeitig einen neuen Weg. Rockmusik- und Modelszene sind eng verknüpft, Peter spricht drei Sprachen perfekt, so wechselt er zur international renommierten Modelagentur Metropolitan Models Agency von Dominique Gallas. Es ist damals die Zeit der Topmodels, Achtzehn übernimmt die Buchungen der Models für Shows, Spots, Filme, Fotoshootings, verhandelt Preise. „Das war Multikulti, da war jeden Tag etwas anderes.“ Sonst hätte er den Job wohl nicht zehn Jahre lang gemacht, eine lange Zeit in Achtzehns Leben. Irgendwann aber merkt er als fast 40jähriger, dass er nicht mehr nur mit jungen Mädchen herumhampeln möchte, wobei er nie etwas mit einer gehabt habe, „das war absolut tabu“.
Erwachsenwerden
Wieder schlägt Peter Achtzehn einen neuen Weg ein, er managt ab sofort Regisseure, Fotografen, viele von ihnen kennt er, ist mit ihnen befreundet, „das muss so sein, auch wenn es mal knallt, aber dann verträgt man sich wieder“. Er vermittelt ihnen Jobs, nutzt seine mittlerweile weltweiten Kontakte, verhandelt schlau, lässt sich oft, wenn bei seinen Fotografen das Geld mal eng war, ein Bild, ein Negativ schenken, und so sammelt er in den knappt 20 Jahren bis heute viele Copyrights, von denen einige Fotografien derzeit auch in Coburg zu sehen sind. Achtzehn verkauft die Fotos, nicht mehr als zehnmal pro Stück, „der Fundus schmilzt so langsam dahin“.
Zuhause
Er ist jetzt selbständig, frei, das Geschäft mit den Fotografien läuft nebenbei, er kehrt nach Coburg zurück, sucht eine zusätzliche Aufgabe, die ihn erfüllt: Er hilft beim BFZ mit dem Konzept „Mein Weg“ Jugendlichen, die ihren Lebensweg noch nicht gefunden haben, die gestrauchelt sind, so wie er auch hätte straucheln können nach einem schlechten Start ins Leben. „Mir hat es immer geholfen, nicht zurück zu schauen. Um weiter zu kommen, musst Du immer nach vorne schauen.“ Nach vorne, das heißt für ihn, dass er die große Glamourwelt von einst nicht mehr braucht, auch keine Großstädte. „Irgendwann wirst Du feststellen, Du lebst auch dort nur in Deinem Viertel, und das ist nicht größer als Coburg. Ich bin gerne wieder hier. Ich habe alles durch, es hätte ja alles gar nicht besser laufen können, ich hatte eine gute Zeit“. Wohin ihn sein nächster Weg führt? „Was ich mir vorstellen könnte, wäre nur, mich in den Süden Frankreichs zu verkriechen, das ist eine schöne Ecke mit schönem Klima, einem tollen Wein, gutem Essen, nicht ganz am Meer, nicht ganz in den Bergen. Da könnte es mir gefallen.“
Madness, Kid Creole und andere: Entdeckungen von Peter Achtzehn
von Wolfram Hegen
Fotos: Isabelle Reißer