Sonderthema Gesundheit: Wer rastet, der rostet #60

Andrea Grabenbauer ist 59 Jahre alt und Mutter von vier Kindern. Sie ist Krankenschwester, Studienassistentin in der Strahlentherapie, Gesundheitsmanagerin und 1. Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins „Verein Förderung, Forschung und Fortbildung in der Strahlentherapie und Onkologie“.

COBURGER: Sie beschäftigen sich schon viele Jahre mit dem Thema Gesundheit. Was gehört zu einem gesunden Lebensstil?

Andrea Grabenbauer: „Gesunder Lebensstil“ bedeutet, dass wir unser Leben auf eine gesunde Art und Weise führen. Es ist wichtig, dass wir jene Faktoren meiden, die nachweislich negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. Dies sind ungesunde Ernährung, Rauchen, Drogen und Alkohol. Der Mensch ist ein Zusammenspiel aus Körper, Geist und Seele und diese können nicht voneinander getrennt werden. Zu einer gesunden Lebensweise gehören mehrere Aspekte wie die Ernährung: Viel Gemüse, frisches Obst, je nach Lebensform Fleisch und Fisch sowie ein maßvoller Einsatz von Zucker, Salz und Fett. Die Verwendung von saisonalen und regionalen Produkten, die unverarbeitet für die Herstellung von Speisen verwendet werden, ist ideal. Es ist ratsam, viel zu trinken, vorzugsweise Leitungswasser oder Tee. Bewegung sollte im Alltag integriert werden und in einer Balance zur Energiezufuhr stehen. Ein ausreichender Schlaf ist ebenfalls wichtig. Freude im Alltag, in einem funktionierenden sozialen Umfeld und eine sinnvolle Aufgabe sind die Würze des Lebens. Die Entspannung ist ein weiterer wichtiger Faktor. Bei allem ist es wichtig, dass man sich wohlfühlt.

COBURGER: Bewegung sollte im Alltag integriert sein. Wie viel Zeit sollten wir täglich investieren?

Andrea Grabenbauer: Das lässt sich nicht pauschal beantworten, denn es kommt auf jeden Einzelnen, sein Alter und seine Kondition an. Es ist unbestritten, dass regelmäßige Bewegung den Körper stärkt, und zwar in jeder Altersstufe. Das alte Sprichwort „Wer rastet, der rostet“ gilt immer noch. Bewegung sollte vor allem Spaß machen und einen Profi t bringen. Aber auch übermäßige körperliche Betätigung sollte überdacht werden, denn man kann schnell die Freude verlieren, wenn man sich überanstrengt. 20 Minuten Bewegung pro Tag bringen schon viel. Man könnte auch drei Stunden pro Woche als Faustregel festlegen, abhängig von den Umständen und der individuellen Verfassung.

COBURGER: Viele Menschen sitzen stundenlang im Büro oder haben keinen geregelten Tagesablauf. Welche Möglichkeiten gibt es, um gesund zu leben?

Andrea Grabenbauer: Bei allen sitzenden Tätigkeiten ist es wichtig, zuerst auf den Arbeitsplatz zu achten. Dazu gehören die Ergonomie, der richtige Stuhl, höhenverstellbare Tische und so weiter. Das ist wichtig, um auch mal die Position zu wechseln und um beispielsweise mit den Beinen die sogenannte Muskelpumpe zu betätigen. Arbeitnehmer, die viel sitzen, sollten nach einer Stunde aufstehen und einige Schritte gehen. Kleine Übungen mit dem Stuhl können die Arbeit erleichtern. Jeder Arbeitnehmer kann gesunde Speisen vorbereiten und in die Arbeit mitnehmen. Disziplin oder Selbstliebe helfen dabei, gut für sich selbst zu sorgen.

COBURGER: Viele Menschen sind heute überreizt, arbeiten unter Stress oder haben viel Druck. Was hat das für Auswirkungen auf die Gesundheit?

Andrea Grabenbauer: Ein gesundes Maß an Stress ist förderlich, aber jedes Zuviel schadet. Wenn Signale des Körpers nicht ernst genommen werden, schleicht sich mit der Zeit eine Dysbalance ein. Bedauerlicherweise reagieren viele Menschen erst, wenn die Warnzeichen des Körpers massiv werden. Ein guter Nährboden für Krankheiten entsteht, wenn gesunde Ernährung, ausgleichende Bewegung und wohltuende Entspannung vor lauter Arbeit keinen Platz mehr haben. Deshalb ist es wichtig, rechtzeitig auf Signale des Körpers zu hören.

COBURGER: Wie kann man trotz aller Belastungen abschalten und zur Ruhe kommen?

Andrea Grabenbauer: Indem man das „Sich-Selbst-Lieben“ nicht vergisst. Es ist wichtig, dass man sich nicht mit Alkohol oder Nikotin betäubt. Anstelle von Alkohol und Nikotin ist ein Spaziergang an der frischen Luft empfehlenswert. Sport mit Freunden macht Spaß. Es gibt eine Vielzahl an Kursen und Bewegungsangeboten. Kleine Erfolge stellen sich schnell ein und motivieren zum Weiter machen. Bevor man seinen Lebensstil ändert, muss man das Bewusstsein und den Willen für eine Veränderung haben.

„Menschen, die nicht rauchen, nicht stark übergewichtig sind und nur mäßig viel Alkohol konsumieren, haben eine sieben Jahre höhere Lebenserwartung als der Durchschnitt der Bevölkerung.“

COBURGER: Sie arbeiten auch mit Menschen, die an Krebs erkrankt sind. Welche Rolle spielt ein gesunder Lebensstil bei der Genesung?

Andrea Grabenbauer: Ein gesunder Lebensstil erhöht die Lebenserwartung um rund sieben Jahre. Menschen, die nicht rauchen, nicht stark übergewichtig sind und nur mäßig viel Alkohol konsumieren, haben eine sieben Jahre höhere Lebenserwartung als der Durchschnitt der Bevölkerung. Wie immer gibt es auch hier Ausnahmen. Bei Patienten, die an Krebs erkrankt sind, ist ein gesunder Lebensstil wichtig, um die Therapie gut zu bewältigen und nach der Therapie ein Wiederauftreten der Erkrankung zu verhindern. Das ist etwas, was jeder einzelne Patient selbst beitragen kann. Es gibt jedoch auch Erbfaktoren, die bei Erkrankungen eine Rolle spielen. Leider kann man das nur eingeschränkt beeinflussen. Allgemein kann man sagen, dass das Wohlbefinden durch die Vermeidung von Noxen, also Schadstoff en, verbessert wird. Auch Achtsamkeit und positives Denken beeinflussen die Psyche und damit auch die Wirksamkeit und den Ausgang einer Therapie. Die Umstellung auf eine bewusste und gesunde Lebensführung kann erheblich dazu beitragen, wieder gesund zu werden. Zum Beispiel gibt es neuere Daten, die zeigen, dass derjenige, der nach seiner Krebsbehandlung weiter raucht, eine um 20 Prozent schlechtere Lebenserwartung hat, als der Nichtraucher.

COBURGER: Sie sind ausgebildete Krankenschwester und haben Gesundheitsmanagement an der Hochschule Coburg studiert. Was beinhaltet dieser Studiengang? Wie profitieren Sie davon?

Andrea Grabenbauer: Der Studiengang integrative Gesundheitsförderung vermittelt theoretische und praktische Grund lagen über die Gesundheit des Menschen aus verschiedenen Blickwinkeln.

Dabei werden sowohl medizinisch-naturwissenschaftliche als auch gesundheitswissenschaftliche Grundlagen, gesundheitspsychologische, rechtliche und betriebswirtschaftliche Themen gelehrt. Weiterhin erwirbt man auch ein Grundwissen in den Handlungsfeldern Arbeit, Freizeit, Tourismus und Wellness. Die praktischen Übungen zur Durchführung von Gesundheitsberatungen sowie Anleitungen zu gesundheitsförderlichem Verhalten für Entspannung, Bewegung und Ernährung sind ebenfalls enthalten. Praxisbeispiele und erste Projekte auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung werden im praktischen Studiensemester angewendet und umgesetzt. Wissenschaftliches Arbeiten wird gelehrt und auch eine weitere Fremdsprache – neben Englisch – ist Pflicht. Im sechsten Studiensemester werden die Inhalte vertieft und auf anwendungsbezogene Projekte in den Praxisfeldern der integrativen Gesundheitsförderung übertragen. Ich habe es als besonders spannend empfunden, interdisziplinär zu arbeiten. Die breite Sicht auf die Gesundheit hat mir mental enorm geholfen und mir die Grundlagen für meine Forschung vermittelt. Zum Abschluss konnte ich meine eigenen Daten aus der Sportstudie selbst auswerten und publizieren (Grabenbauer AJ, Meissner K (2021) Bewegungsanleitung und Ernährungsberatung bei Krebspatienten – Ergebnisse eines 5-Jahres-Follow-up.

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