Auf ein Wort Schriftzug

Auf ein Wort #35

30 JAHRE SPÄTER

von Jörg Pasztori aus Sonneberg

Es steht wieder mal ein rundes Jubiläum an, allerorten sind Geschichten zu lesen, zu hören und zu sehen, die die Tage im November 1989 und besonders den für die deutsche Nation im 20. Jahrhundert so schicksalhaften 9. des meist trüben Herbstmonats im Blick haben. Aber wie wichtig ist diese Erinnerung an den Tag, an dem hier bei uns Sperrzone, Signal -und Metallgitterzaun Löcher bekamen? An den Tag, an dem die unteilbare deutsche Nation sich dessen zwar noch unbewusst, aber deshalb nicht weniger rasant, auf den Weg zur Herstellung der staatlichen Einheit gemacht hat. Brauchen wir zum Erinnern daran den Glanz von Jubiläumsfeiern?

Ja und Nein.

Nein, denn hier in der Region Coburg-Sonneberg haben wir diesen Teil deutscher Geschichte ständig vor Augen. Seit mehr als 50 Jahren fällt mein Blick aus Sonneberg fast täglich auf die herübergrüßende Veste Coburg und die Flur zwischen Meilschnitz und Fürth am Berg. Die erste Hälfte dieser 50 Jahre mit der Gewissheit, diese Orte nie betreten zu dürfen und immer mit der Neugier auf dieses andere Deutschland. Die zweite Hälfte mit der Dankbarkeit, dass diese Gewissheit dann doch keine war, und in Windeseile Kalter Krieg und Diktatur den Chancen eines freibestimmten Lebens in diesem anderen Deutschland gewichen sind.

Erstaunlich aber bleibt, wie lange die Zeit der Teilung in den Menschen nachhallt. Auch wenn die Grenze dort, wo sie davor für alle sichtbar Rodachtal, Itzgrund und die Linder Ebene zerschnitten hatte, lange schon verschwunden ist, entfaltet sie doch noch eine unsichtbare Wirkung. Sie hat den Menschen gemeinsame Zeit geraubt. Zwischen 1945 und 1990 erleben Coburger und Sonneberger gänzlich unterschiedliche Welten, ohne dass es einen Austausch an Informationen gibt. Zwar überspringen später die elektronischen Medien Stacheldraht und Minenfelder, erzählen aber nur selten etwas über das unmittelbare Umland. Aus Neustadt oder Coburg erfährt der Sonneberger nichts. Und auch den Neustadtern bleibt vorerst nur der Blick vom Muppberg. Die Informationssperre ist perfekt. Sie hat das Potential zur Entfremdung, die später bei so manchem zu den altbekannten Vorurteilen vom „Besser-Wessi“ und vom „Jammer-Ossi“ führt. Heute ist nicht alles anders: Information ist frei verfügbar, wird aber gezielt lanciert, Meinungsfreiheit ein hohes Gut, von manchen aber gezielt missbraucht. Nicht jeder ist Medienflut und Redefreiheit gewachsen. Parolen von Rechtsaußen im Thüringer Landtagswahlkampf konterkarieren die vermeintliche Meinungsfreiheit mit unverschleierter Hetze. Der instrumentalisierte Bezug zu den Tagen von 1989 zeigt: Ja, es ist wichtig, ganz bewusst an diese Tage und ihre Werte zu erinnern. Wir brauchen offensichtlich den Glanz des Jubiläums.

Und wir brauchen hier bei uns verbindende Lokalmedien, die die relevanten Informationen für die Gesamtregion aufbereiten. Aber auch da gibt es heute eine Grenze, die zwischen Bayern und Thüringen: Medienregulierung ist Ländersache und da macht jeder seins. Es gibt sie also immer noch – unsichtbar zwar, aber wirksam doch.

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