Das Alter Ego

Es ist eine ohnehin schon befremdliche Eigentümlichkeit des Politikbetriebes, sich gelegentlich für seine Verdienste selbst auszuzeichnen. So wieder einmal geschehen auf Schloss Callenberg im Juli. Und anderem ist dort Norbert Tessmer geehrt worden, er war sechs Jahre Oberbürgermeister, davor 3. Bürgermeister und 2. Bürgermeister und 1984 zum ersten Mal Stadtrat. Er trägt jetzt den Titel Alt-Oberbürgermeister. Ein Ehrentitel für herausragende Verdienste um die Stadt Coburg. Ein Ehrentitel für jahrelange Arbeit für die Stadt, oft abends, an Wochenenden.

Jemand zu ehren, ist honorig, ist nett. Wenn man es gut meint, ist so eine Ehrung vielleicht auch ein Symbol, dass politische Arbeit, die heute mehr denn je auch persönlichen Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt ist, eine besondere Wertschätzung erfährt. Und sicherlich hat Norbert Tessmer auch alles in seiner Macht Stehende für Coburg getan.

Doch mal abgesehen davon, dass Coburg Ehrentitel fast inflationär vergibt und damit entwertet, mal abgesehen davon, dass keinem normalen Arbeitnehmer, der einfach nur seinen vertraglich vereinbarten Job gut macht, gleich ein Ehrentitel zusteht – wenn man geehrt wird, darf man als Geehrter wenigstens zutiefst dankbar sein.

Immerhin ist es eine Ehre, ein Amt wie das eines Bürgermeisters überhaupt erfüllen zu dürfen. Immerhin braucht es Glück, damit es einem gelingt. Immerhin braucht es Freunde, Weggefährten, die zu einem halten. Es braucht ehrliche Kritiker, politische Gegner, mit denen man um die beste Lösung für die einem von den Bürgerinnen und Bürgern anvertraute Stadt kämpft.

Es wäre also ein Zeichen von Demut gewesen, so eine Ehrung dankbar entgegenzunehmen, sein Ego nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen, dem Ideal von „Versöhnen statt spalten“ treu zu bleiben, wie sein Nachfolger Dominik Sauerteig in seiner Rede Norbert Tessmer noch an diesem Abend würdigte.

Es wäre …

Norbert Tessmer aber griff in seiner Dankesrede auf ein altes chinesisches Sprichwort zurück, so gar nicht versöhnlich und demütig:

„Wenn Du lange genug am Ufer eines Flusses sitzt, siehst Du irgendwann die Leichen deiner Feinde vorbeischwimmen.“

Bei allem Respekt für eine Lebensleistung – das ist mehr als befremdlich.

 

 

Anm.: Der Verfasser war bei der Veranstaltung eingeladen, aber nicht anwesend. Die erwähnten Äußerungen sind von verschiedenen Seiten bestätigt worden bzw. waren der Presse zu entnehmen.

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