Das Wortspiel liegt auf der Hand: Wenn man nach dem oberfränkischen Bierkönig sucht, kommt man an Michael König nicht vorbei. Seine Blogs über Biersorten haben über 10000 Fans und beruflich arbeitet der Biersommelier mittlerweile bei der Bayreuther Brauerei Maisel – vor allem für das neue gastronomische Konzept „Liebesbier“, das weit über die Grenzen Oberfranken hinaus Maßstäbe setzt. Die Liebe zum Bier, seines zweites berufliches Leben aber entstand bei Michael König eigentlich eher aus Zufall, aus „einer Bierlaune“ heraus
Michael König
Bierseelig
Wenn Michael König seine Bierkarriere Revue passieren lässt, muss er weit zurückdenken, zu weit eigentlich, aber früher war das nun einmal so, dass – und meistens waren es die Großeltern – man als Kind mal vom Gerstensaft probieren durfte, auch wenn man dann meistens angewidert die Mundwinkel verzog. Und auch bei Königs zuhause in Buch am Forst zwischen Coburg und Lichtenfels war das nicht anders, „bitter“ sei es gewesen, das erste Schlückchen Bier, „da war ich vier oder fünf, und der Opa hat mich einmal an einem Gampert nippen lassen“, der nämlich war Fan der traditionsreichen Biere der Brauerei aus Weißenbrunn bei Kronach („Buch am Forst war ein Ort ohne Brauerei“). „Kronkorken hat er auch gesammelt“, erinnert sich Michael König an diese Zeit.
Später dann wurde Bier zum Lifestyle-Produkt, Marken standen für ein Lebensgefühl, eine ganze Generation ist mit den grünen Becks-Flaschen aufgewachsen, das habe er damals auch gemacht, „ich war da ganz begeistert“. Heute, mit der Erfahrung eines Biersommeliers würde er rückblickend sagen, „Becks schmeckt nach Licht.“ So richtig „bieraffin“ aber sei er als junger Erwachsener eigentlich nicht gewesen, zwei- bis dreimal die Woche habe er mal Bier getrunken, aber „nie übermäßig“.
Auch sein beruflicher Weg sieht erst einmal so gar nicht nach einer Karriere in der Genussmittelindustrie aus. Eher nach richtiger Industrie: König lernt Zerspanungsmechaniker bei der Maschinenbaufirma Kapp in Coburg („in der Stadt gab es ja auch kaum Brauereien“), holt danach das Abitur nach, studiert Informatik. „Das war mir lieber als hinter Maschinen zu stehen, im Schichtbetrieb.“ Als Informatiker programmiert er vor allem Bankensoftware, erstellt Benutzeroberflächen, kümmert sich um Überweisungsvorgänge für ein Unternehmen in Coburg.
Doch nebenbei bahnt sich der Weg an, der König letztlich dahin führt, wo er heute ist: Er arbeitet manchmal abends als DJ in einer Bar, kümmert sich dann auch um deren Facebook-Seite. Dadurch entdeckt er seine Leidenschaft für social media, meldet ein Kleingewerbe an, betreut einige Kunden, hat aber vor allem ein Ziel: Eine Brauerei als Kunden zu gewinnen, letztlich um „ab und zu ein paar Flaschen Bier zu testen.“ König gründet die Facebook-Seite „Bier aus Franken“, und weil sich da ja etwas tun muss, kauft er Bier, testet und bewertet es. „Das habe ich alles selbst gemacht, das Bier gerochen, es geschmeckt, es beschrieben, das war learning-by-doing.“ Jeden Tag ein Bier, schnell verfolgen 800 Fans die Selbstversuche.
Seine Frau habe damals schon gesagt, das müsse doch endlich mal eine Brauerei merken, das sei doch eine ideale Werbeplattform. „Das hat sie bald bereut“, schmunzelt er. Zwei Jahre später nämlich sei das ganze Haus „voll gestanden mit Bierkästen von allen möglichen Brauereien, alles kam kostenlos ins Haus.“ Eigentlich habe sich sein Wunsch damit erfüllt, er hatte ein schönes Hobby, viele Fans, genug Freibier. Und seine Freunde hätten sich auch immer über ein paar Flaschen Bier gefreut.
Damals kommt er zum ersten Mal in Berührung mit der Brauerei Maisel. Er wird eingeladen, sich das Unternehmen anzusehen. Also braucht er noch eine Website, um den Besuch zu dokumentieren, und vor allem – einen passenden Namen. Der fällt ihm unter der Dusche ein: „Neubierig“. „Bier aus Franken“ hatte damals schon über 4000 Fans, heute über 10000, mit „Neubierig“ macht er sich auf, die fränkischen Grenzen zu sprengen, auch diese Seite hat heute schon bald 5000 Fans. So langsam kommen die Marketingabteilungen der Brauereien auf König zu. Sie schätzen die Art des Autodidakten König, Bier vorzustellen. „Ich war nie wirklich kritisch mit einem Bier, weil ich mir immer gedacht habe, wenn es in der Flasche ist, muss es irgendjemanden geben, dem das geschmeckt hat.“
Bei der Bierakademie in Bamberg absolviert er ein Seminar. Gerade mal drei Stunden lang, aber er merkt: Das möchte er auch gerne machen, als Biersommelier anderen etwas über den Gerstensaft erzählen, Schulungen anbieten. Die Ausbildung zum Sommelier aber ist ihm zu teuer, mit Übernachtung insgesamt 5500 Euro. Doch dann gibt es eine günstigere Alternative in Bamberg, da kann er zwei Wochen lang hinfahren, spart sich die Übernachtung. Und so macht er es auch, opfert zwei Wochen Urlaub und absolviert das Seminar zum Biersommelier. „Das ist wie ein Führerschein, Du bist dann offiziell Sommelier, aber deswegen bist Du noch kein Bierkenner. Ohne Vorwissen bist Du eigentlich überfordert. Und das meiste, was ich gelernt habe, kam danach.“
Das „Danach“, das ist bei Michael König der endgültige Wechsel von der Software-Branche in das Brauereiwesen. Bei einem Potsdamer Online-Bierverkäufer wird er Produktmanager und –einkäufer. Jetzt kann er alle Kenntnisse einbringen, die er sich angeeignet hat: seine Erfahrung in sozialen Medien, Programmieren, Brauereien kennen, deren Marketingabteilungen, alles kommt zusammen. Und König lernt viel dazu, vor allem internationale Brauereien. Er erweitert das Angebot von „Bierdeluxe“ von 200 auf 480 Biere. Doch als er immer mehr zum Einkäufer wird, immer mehr über Preise und Zahlungsziele verhandeln soll, wird ihm das Geschäft zu „nüchtern“.
So landet er wieder in Oberfranken, bei der Brauerei Maisel in Bayreuth. Die sucht 2015 einen Biersommelier für die Gastronomie. Aber nicht für irgendeine Gastronomie, sondern für ein neues Konzept: „Liebesbier“ heißt es mit mehreren Millionen Euro Investitionsvolumen. Deutschlandweit einzigartig. Ein hochwertiges Restaurant und dazu 100 regionale und internationale Biere, Craft-Biere. Michael König ist an der Entwicklung maßgeblich beteiligt, stellt die 82seitige Bierkarte zusammen, kümmert sich um das Personal. König ist angekommen, erst einmal. Er hat sein Bieruniversum gefunden, wenn er über Liebesbier, wenn er über die trendigen Craft Biere spricht, ist er ganz in seinem Element. Wobei er gerne betont, dass fränkische Biere eigentlich schon immer Craft Biere waren. Der Begriff nämlich steht eigentlich nur für handwerkliches, leidenschaftlich gebrautes Bier. Und das gibt es in Franken schon seit Jahrhunderten, aber auch in anderen vielen Regionen auf der Welt. „Gutes Bier ist das, an was ich mich gerne erinnere.“
So hat Michael König zum Reinheitsgebot auch ein ambivalentes Verhältnis, auch und gerade im Jahr des 500jährigen Jubiläums. „Wir wollen, sollen und müssen das Reinheitsgebot erhalten, aber auch offen sein, dass parallel dazu Biersorten entstehen, die nach einem einheitlichen Qualitätskodex mit nur natürlichen Zutaten gebraut werden“. In der Gastronomie wird es daher, sagt er, in Zukunft viel mehr Bier geben, größere Bierkarten – Sein Wort hat mittlerweile Gewicht, nur ein paar Jahre, nachdem er sich „aus einer Bierlaune heraus“ auf einen anderen Lebensweg begeben hat.
Er hat sein Bieruniversum gefunden, wenn er über Liebesbier und Craft-Biere spricht.