Buchempfehlung #44

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MARTIN VÖGELE VON DER BUCHHANDLUNG RIEMANN

Ein hinreißendes (Un-)Sittengemälde

Der neue Roman des begnadeten und vielfach preisgekrönten Erzählers James McBride beginnt mit einem ungewöhnlichen Mordversuch, der ein ganzes Viertel aus dem Gleichgewicht bringt.

Die Frage, warum der alte Sportcoat im Suff auf den jungen Dealer Deems schoss, beschäftigt fortan die Bewohnerinnen und Bewohner des „Cause“, eines sozialen Wohnprojekts in New York. Dieses befindet sich in einem Viertel Brooklyns, in dem Schwarze, Latinos, Iren und Italiener nebeneinander leben.

Es herrscht also Unruhe in der Community des Cause, und leider kann Sportcoat selbst zur Klärung dieses Rätsels nichts beitragen, da er vor der Tat reichlich dem titelgebenden „King Kong“ zugesprochen hat, dem von seinem Kumpel Rufus schwarzgebrannten Schnaps.

Die Frage, was Sportcoat zu seiner Tat bewog, ist jedoch nur eines der Rätsel dieses herrlich vielschichtigen Romans. So ist beispielsweise ungeklärt, wo Sportcoats verstorbene Frau Hettie das Geld der Kirchengemeinde Five Ends versteckt hat, dass sie regelmäßig für Weihnachtsgeschenke einsammelte und verwaltete.

Ein weiteres Rätsel ist der Verbleib der Venus von Willendorf. Diese kostbare Statue wird von Tommy Elefante gesucht, dem Mafioso des Viertels. Die Statue, die sein Vater vor Jahren für einen Freund versteckte, könnte für ihn das Ticket in ein besseres Leben sein. Elefante, ein einsamer Mann mit harter Schale, sehnt sich nach Liebe und Normalität.

Apropos Liebe. Zu lesen, wie diese den ermittelnden Cop Sergeant Mullen und Schwester Gee, die Frau des Gemeindepfarrers, ereilt, ist ein wahrlich außerordentliches Vergnügen.

Wie überhaupt die Lektüre dieses amerikanischen Sittengemäldes aus dem New York der späten 1960er-Jahre ein ganz großer Genuss ist. James McBride reichert seine Geschichte mit soviel Herz und Liebe an, dass es eine wahre Freude ist. Ich habe lange nicht mehr eine so wunderschön geschriebene Geschichte von tiefer Menschlichkeit gelesen.

Inhaltsangabe

Die ruhigen Tage scheinen gezählt in der kleinen Baptistengemeinde „Five Ends“ im Süden Brooklyns. An einem warmen Septembertag im Jahr 1969 tritt der alte Diakon Cuffy Lampkin, genannt „Sportcoat“, mit einer Waffe auf den zentralen Platz seines Sozialbauviertels, hält sie vor aller Augen dem hiesigen Drogendealer vors Gesicht – und drückt ab. Ausgerechnet Sportcoat, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann.

Wie konnte es dazu kommen? Schnell zeigt sich, dass sich die Schicksale aller Gemeindemitglieder – der Afroamerikaner wie der Latinos, der abgehalfterten Mafiosi wie der ermittelnden Cops – in dieser unvorstellbaren Tat überkreuzen. Und dass himmlische Gerechtigkeit und Strafe manchmal eine ziemlich irdische Angelegenheit sind …

Jamces McBride

Autor, Musiker, Drehbuchschreiber, Journalist – wurde weltberühmt durch seinen autobiografischen Roman „Die Farbe von Wasser“. Das Buch gilt inzwischen als Klassiker in den Vereinigten Staaten, es stand zwei Jahre lang auf der New York Times Bestsellerliste. McBrides Debüt „Das Wunder von St. Anna“ wurde vom amerikanischen Kultregisseur Spike Lee verfilmt. Für „Das verrückte Tagebuch des Henry Shackleford“ erhielt McBride den renommierten National Book Award. 2015 wurde James McBride von Barack Obama mit der National Humanities Medal ausgezeichnet.

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