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„Inmitten der Nacht“ von Rumaan Alam
Text: Martin Vögele von der Buchhandlung Riemann
„Es war nicht übertrieben zu behaupten, dass der Knall ihr Leben in zwei Teile zerlegte: in die Zeit davor und die Zeit danach.“
Als Rumaan Alam 2017 „Inmitten der Nacht“ schrieb, ahnte er nichts von der Pandemie, die die Welt wenige Jahre später in Atem halten sollte. Und doch beschreibt er eine beängstigende Situation allgemeiner Verunsicherung, die wie eine Blaupause der aktuellen Situation anmutet. Darüber hinaus spielt der Autor geschickt mit unterschwelligen Ressentiments und Ängsten und macht deutlich, wie fragil unsere vermeintliche Selbstsicherheit ist, wenn uns die ihr oftmals zugrunde liegenden modernen Technologien nicht mehr zur Verfügung stehen.
Die Idylle des wohlverdienten Familienurlaubes von Amanda, Clay und ihren Kindern auf Long Island gerät in dem Moment aus dem Gleichgewicht, als überraschend die Eigentümer des Hauses, George und Ruth, vor der Türe stehen und um Einlass bitten. Diese waren in New York auf dem Nachhauseweg vom Theater, als plötzlich der Strom ausfiel und sie spontan entschieden, nicht in ihre Wohnung zurückzukehren, sondern zu ihrem Haus auf Long Island zu fahren.
Da es im Ferienhaus zwar noch Strom, aber keinen Zugang mehr zu Informationen gibt – sowohl die Internetverbindung als auch sämtliche Fernsehprogramme sind unterbrochen, – empfinden alle Beteiligten ein diffuses, stärker werdendes Gefühl von Beklemmung und Unsicherheit. Dieses Gefühl beschlich auch mich bei der Lektüre, denn Rumaan Alam lässt nicht nur die Protagonisten im Unklaren, sondern auch die Leserinnen und Leser. Einzig der Erzähler scheint allwissend und gibt uns häppchenweise Hinweise darauf, dass hier etwas katastrophal Unumkehrbares seinen Lauf nimmt.
Als ein nie gehörtes, alle Vorstellungskraft übersteigendes Geräusch ertönt, das ihre Vorstellung von Lärm für immer verändert, wird auch der im Haus versammelten Schicksalsgemeinschaft klar, dass die Welt, die sie kannten, nicht mehr existiert. Mit „Inmitten der Nacht“ hat Rumaan Alam einen modernen Klassiker geschrieben. Einen aufrüttelnden Gesellschaftsroman über Machtlosigkeit, über unheimliche Zeiten, über die Illusion, alles unter Kontrolle zu haben. Ein Buch über unsere Zeit und zugleich zeitlos.