Buchempfehlung #50

Gesponserter Beitrag

von Martin Vögele von der Buchhandlung Riemann

„Der Anblick dieser Halle brachte mir drei Gewissheiten: Mein Vater war ein armer Schlucker, er lebte allein, und ich hatte die schwierigsten sechs Wochen meines Lebens vor mir.“

In „Der Markisenmann“ schildert Bestsellerautor Jan Weiler die Geschichte eines Sommers, der holprig beginnt und letztlich das Leben aller Beteiligten nachhaltig verändert. Als Kim ihren Vater an einem heißen Sommernachmittag am Bahnsteig des Duisburger Bahnhofs zum ersten Mal sieht, ist sie trotz geringer Erwartungen enttäuscht. Der kleine Mann hat nichts mit ihren Vorstellungen gemein. Die waren ohnehin bestenfalls diffus, denn außer einer verwackelten Fotografie hat Kim kein Bild ihres Vaters. Gemeldet hat er sich nie und ihre Mutter spricht nicht über ihn. Papen, von Kims Stiefvater ausschließlich als „Der feine Herr Papen“ tituliert, lebt am Duisburger Hafen in der Halle, in der auch seine Markisen lagern. Diese versucht er unermüdlich und mit unverdrossener Beharrlichkeit an Ruhrgebietshaustüren zu verkaufen, was ihm mit nur recht bescheidenem Erfolg gelingt. Schnell wird klar, dass diesen zarten und etwas wunderlichen Mann mit den Markisen mehr verbindet als nur der reine Broterwerb.

Wie Kim hat offenkundig auch Ronald Papen eine schwere Bürde zu tragen und die aus der Zeit gefallenen Markisen aus Ex-DDR Beständen scheinen damit etwas zu tun zu haben. Mangels alternativer Optionen der Freizeitgestaltung begleitet Kim ihren Vater auf dessen täglichen Verkaufsfahrten und bringt mit frischen Ideen neuen Schwung in Papens Haustürgeschäfte. Die beiden lernen einander kennen und nähern sich behutsam ihrer gemeinsamen Geschichte an. Kims frühe Idee, einfach wieder abzuhauen, verfliegt rasch, was nicht zuletzt am gleichaltrigen Alik liegt, der als Ferienarbeiter Wertstoffe auf dem benachbarten Schrottplatz trennt. Ihre Feierabende verbringen Kim und ihr Vater meist zusammen mit den Stammgästen von „Rosi‘s Pilstreff“, einer düsteren Kneipe bei Papen ums Eck. Die ist der Mittelpunkt eines Freundeskreises, der rauer, skurriler und wundersamer nicht sein könnte.

Macht der Anblick dieser „Sauftruppe“ Kim zunächst noch Angst, stellen sich diese unterschiedlichen Charaktere bald als grundehrliche und verlässliche Menschen heraus, denen der Roman wunderbar amüsante Dialoge und Anekdoten zu verdanken hat. „Der Markisenmann“ ist eine unerhört großartige Geschichte über das Erwachsenwerden, über Freundschaft und Liebe, über Schuld, Verantwortung und Vergebung. Dieses Buch hat mich sowohl herzhaft lachen lassen als auch zu Tränen gerührt. Ein ganz besonderer Lesegenuss und schon jetzt für mich einer der Romane des Jahres.

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