Schlüssel im Schloss

Das Flohmarktgeschäft #15

Mehr als jeder Zehnte Deutsche geht einmal monatlich, jeder Zwanzigste sogar zweimal monatlich auf einen Flohmarkt. Das Bummeln zwischen den Ständen und Tapeziertischen, die Hoffnung auf ein Schnäppchen, das Schachern um den Preis, das kommt an, ist für viele ein Hobby, für Käufer und vor allem auch für Verkäufer.

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Leben vom Flohmarkt

Der Sonntagmorgen ist kühl, wie so viele im Frühjahr 2016. Regen ist angekündigt. Deswegen ist der Kronacher Flohmarkt vom Schützenplatz ist die Halle gezogen. Dort ist es wenigstens trocken. Absagen nämlich kommt nicht in Frage, Kneifen erst recht nicht. Flohmarktmenschen sind einiges gewohnt. Man muss sich nur die richtige Kleidung anziehen, so wie Peter Wolfrum aus Hof an der Saale, der seit zehn Jahren mit seinem Flohmarktstand von Ort zu Ort zieht. Eine dicke Daunenjacke hält ihn warm, so ein Flohmarkttag kann lange werden. Früh aufstehen, manchmal nachts um 1 oder 2 Uhr, dann ab auf die Straße, wieder ein bis zwei Stunden unterwegs, dann aufbauen so wie hier in Kronach, wo er seine Kannen, sein Blechspielzeug, kleine Engel, Kerzenständer ordentlich aufgereiht präsentiert.

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Das „Waafen“ ist es

Trotz des stundenlangen Aufwands kann er sich für seinen Ruhestand nichts Schöneres vorstellen. Schon während seiner Zeit als Bäcker zog es ihn nach sechs Tagen in der Backstube ab früh um 3 Uhr am Wochenende immer wieder mal auf einen Markt. Jetzt ist er jedes Wochenende ein- bis zweimal unterwegs: in Oberfranken, Kronach, Bad Berneck, Himmelkron, aber auch viel „in Dunkeldeutschland“, wie er lachend sagt, in Leipzig, Chemnitz, Riesa. „Denen hab ich erst einmal beibringen müssen, dass ich kein Bayer bin, sondern ein Oberfranke“, lacht er. Dieses „Gefrotzel“, der eine oder andere Scherz, viel Spaß, „das Waafen“, wie der Ostoberfranke sagt, das ist für ihn das Wichtigste an einem Flohmarkt. Mit den Leuten ins Gespräch kommen, „man lernt ja so viele kennen und es entstehen auch Freundschaften“.

Gut für die Ehe

Der Flohmarkt hat damit, wenn man es wissenschaftlich ausdrücken möchte, eine soziale Bedeutung erlangt. Während früher beim Tante-Emma-Laden um die Ecke oder auf dem Wochenmarkt mal Zeit für den täglichen oder wöchentlichen Plausch war, das Austauschen der neuesten Informationen, Tratsch und Klatsch, sind heutige Supermärkte auf der grünen Wiese vor den Toren der Stadt dazu nicht mehr der geeignete Ort. Zu anonym, zu hektisch. Am Wochenende dagegen, beim Flohmarkt, hat man Zeit zum Schlendern und für das eine oder andere Gespräch. So trotzen Flohmärkte auch heute ihren Konkurrenten im Internet wie ebay. Das Shoppen dort funktioniert zwar praktisch und schnell, aber Gespräche finden eben kaum statt. Auf den vielen Veranstaltungen auch hier in der Region, auf Supermarktpark-, Schützen- oder Marktplätzen aber schon. Danach suchen viele der Besucher. Und der Ehe von Peter Wolfrum tut sein Hobby übrigens auch gut. Die Frau sei froh, wenn er ab und zu mal weg sei, lacht er. „Man sitzt ja die ganze Woche aufeinander.“ Und natürlich freut sie sich auch über das Geld, dass ihr Mann von seinen Reisen durchs „Schacherland“ mitbringt.

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250 am Tag

Denn darum geht es natürlich vor allem auch: Ums Handeln. Den Kunden – und ihm natürlich auch. Klar muss man immer höher ansetzen, sonst bleibe am Ende ja nichts hängen, so Wolfrum. Und er wolle ja schon ein paar Euro mitbringen nach Hause, nach so einem Ausflug. Im Schnitt 250 Euro bleiben heutzutage an einem normalen Flohmarkttag hängen, früher waren das auch schon einmal 500. Am Besten gehe sein Blechspielzeug, vieles habe er von Zuhause mitgebracht, aber immer noch nur den kleinsten Teil. Alleine 2500 Modellautos habe er in seinem Leben gesammelt. Außerdem kämen immer wieder Freunde und Bekannte auf ihn zu, geben ihm ihre alten kleinen Dinge, Spielzeug, Geschirr für einen kleinen Preis. Und er kauft auch selbst auf Flohmärkten ein und verkauft die Produkte dann weiter. „Es sind ja überall andere Preise und auch ein anderes Publikum.“ Am meisten werde in den neuen Bundesländern bezahlt. Die Menschen dort gäben noch Geld aus auf typischen Flohmärkten, für Raritäten, Sammlerstücke, altes Spielzeug.

Neues hat nichts verloren

Neuwaren hätten dagegen für ihn auf einem Flohmarkt nichts zu suchen. Bei manchen Händlern könne man sogar bestellen und bekomme dann die Waren nach Hause geliefert. „Das ist doch Quatsch“, regt er sich auf. Recht hat er, ein Floh- oder Trödelmarkt ist eben ein Markt für Privatleute und für alten Krempel, nicht für Neuware, außer man findet zu Hause mal ein originalverpacktes Hochzeitsgeschenk ohne Sinn und Zweck, oder ein Hemd, das man etwas schmaler in der Hüfte gekauft, aber nie getragen hat, weil man mittlerweile ein paar Kilos mehr mit sich herumträgt. Doch neue Produkte sollten die Ausnahme sein, findet Wolfrum. Das wäre ja auch schon historisch gar nicht begründbar. Auf Flohmärkten nämlich wurden früher gebrauchte Kleider unterm Volk verteilt, zu einer Zeit größerer Armut als heute und vor allem ohne Waschmaschinen – bei der Hose, dem Hemd oder der Jacke war also der Floh inklusive.

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Und weiter gehts

„Wart amol, ich kumm gleich“, ruft Peter Wolfrum in seinem zünftigen oberfränkischen Dialekt einem etwas unruhigen Kunden zu, der schon einige Zeit während unseres gut viertelstündigen Gesprächs wartet. Wir verabschieden uns, er taucht jetzt wieder in seine Welt ein. Handeln um den besten Preis und vor allem: Spaß haben mit den Menschen um ihn herum.

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