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Die Suche nach dem Glück #36

Die Suche nach dem Glück

Was macht uns eigentlich glücklich? Ein größeres Auto? Ein schöneres Haus? Oder muss vielleicht ein neuer Partner her? Die Antwort liegt oftmals in den kleinen Dingen.

Der COBURGER hat sich mit Professor Niko Kohls unterhalten, Wissenschaftler, Medizinpsychologe und Coach. Kohls ist seit dem Jahr 2013 an der Hochschule Coburg für Gesundheitswissenschaften im Bereich Integrative Gesundheitsförderung tätig ist. Seit 2018 ist er in die Europäische Akademie für Wissenschaften und Künste aufgenommen worden.

COBURGER: Herr Professor Kohls, was bedeutet Glück?

Professor Kohls: Das ist eine Frage, die jeder Einzelne für sich beantworten muss. Von psychologischer Seite betrachtet ist Glück ein spezifischer Gefühlszustand mit extrem positiven Merkmalen. Geht alles in die Richtung, wie wir uns das gewünscht haben, dann sind wir glücklich.

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COBURGER: Wenn wir scheinbar alles haben, warum sind wir dann dennoch nicht zufrieden? Von welchen Faktoren hängt Glücklichsein ab?

Professor Kohls: Ob wir glücklich sind oder nicht, hängt auch stark von unseren Lebensumständen, den Rahmenbedingungen und vor allem von unserem Status im Vergleich zu anderen Menschen ab. Dazu gibt es ein interessantes und aussagekräftiges Experiment. Man fragt Menschen beispielsweise, ob sie 50.000 Dollar verdienen wollen, wenn alle anderen nur 25.000 Dollar erhalten oder lieber über ein Jahreseinkommen von 100.000 Dollar verfügen während alle anderen 200.000 Dollar bekommen. Die Mehrheit entschied sich für erste Variante, also für 50.000 Dollar. Man sieht daran sehr deutlich, dass es nicht auf die Höhe des Verdienstes ankommt, sondern vor allem welche Stellung wir im sozialen Gefüge relativ zu Anderen einnehmen.

COBURGER: Wie können wir unser Glück selbst in die Hand nehmen?

Professor Kohls: Wir sollten uns auf die schönen Momente im Leben besinnen, zum Beispiel durch Rituale, indem wir uns vor dem Zubettgehen die schönen Augenblicke des Tages bewusst machen und dann mit positiven Gedanken einschlafen. Was gab es heute Neues und Gutes? Was war heute ein schöner Moment? Das können so genannte Mikroereignisse sein, zum Beispiel, wenn uns jemand angelächelt hat oder uns aus der Parklücke gewunken hat. Wenn wir uns die schönen Ereignisse bewusst machen, dann steigt unsere Lebenszufriedenheit. Auch bewusste Achtsamkeitsübungen, die man den Tagesablauf einbaut, tragen zur Zufriedenheit bei. Dazu empfehle ich das Buch: Stressbewältigung – Mind-Body-Medizin-Selbstfürsorge-Tobias- Esch/ Sonja Maren Esch. Und wir sollten uns bewusst sein, dass wir in Europa in einer Zeit leben, in der es uns sehr gut geht. Die Lebenserwartung ist hoch, wir haben gesamtgesellschaftlich im Vergleich zu anderen Ländern Stabilität, zum Glück keine Kriege und es ist ein großes Glück in einem Sozialstaat zu leben, in dem Bildung und Gesundheit für alle zugänglich sind.

COBURGER: Macht Geld eigentlich glücklich?

Professor Kohls: Bei einem Einkommen im unteren Bereich steigt die Zufriedenheit mit den Einkommen, in den oberen Gehaltsklassen spielt das aber so gut wie keine Rolle mehr. Es gibt Daten, die zeigen, dass Lottogewinner bereits ein Jahr nach dem Gewinn wieder an dem Punkt der Zufriedenheit angelangt sind, an dem sie vor dem Gewinn waren. Anderseits finden Menschen nach schweren Schicksalschlägen oder Krankheiten wieder neue Perspektiven und empfinden ihr Leben trotz dieser negativen Erfahrung sogar erfüllender als vorher.

COBURGER: Stimmt es, dass sich unser Umfeld verändert, sobald wir unser Verhalten ändern?

Professor Kohls: Wenn wir gestresst und entnervt durch die Welt laufen, verändert sich unsere Wahrnehmung, wir tragen so zusagen Scheuklappen und sehen nur Bedrohungen und Probleme. Jeder von uns hat beispielsweise Erfahrungen mit schwierigen Menschen in seinem Umfeld. Wenn wir die vorgeformte Meinung ablegen und versuchen, diesen Menschen völlig unvoreingenommen begegnen, eröffnen sich im Umgang häufig neue Möglichkeiten, die überraschend groß sind.

COBURGER: Wie wichtig sind soziale Kontakte für ein erfülltes Leben?

Professor Kohls: Freundschaften, Familie und Partnerschaft tragen ganz entscheidend zur Zufriedenheit bei. Ein Netzwerk an guten und vertrauensvollen Beziehungen, also Verwandten und Freunden, ist somit ein zentraler Pfeiler für ein langes und gesundes Leben. Allerdings sind drei bis fünf tiefe Freundschaften und partnerschaftliche Verbindungen wichtiger als 100 Facebook-„Freunde“.

COBURGER: Stichwort soziale Medien, machen Facebook und Co glücklich?

Professor Kohls: Das Gegenteil ist der Fall, denn die sozialen Medien gaukeln ja eine Scheinwelt vor: Alle sehen – dank Photoshop – bezaubernd aus, haben den perfekten Urlaub und überhaupt das perfekte Leben. Die Welt, die hier abgebildet wird, ist unrealistisch und gerade für Kinder im Teenageralter ein riesengroßes Problem. Außerdem kann das zu schwierigen sozialen Verhaltensweisen führen. Jugendliche schauen sich nicht mehr in die Augen und pflegen weniger reale soziale Kontakte. Das führt zur Vereinsamung, heute schon ist eine Tendenz nachweisbar, dass die Depressionen und sogar die Suizidraten in manchen Ländern unter Teenagern deutlich angestiegen sind. Die digitalen Medien sind insofern ein groß angelegtes sozialpsychologisches Experiment ohne Kontrollgruppe, das erst in 20 bis 30 Jahren zeigen wird, was das in Bezug auf Lebenszufriedenheit, Empathiefähigkeit und Sozialverhalten bedeutet.

COBURGER: Aber gerade Jugendliche sind ja oft nonstop am Handy…

Professor Kohls: Es gibt Studien, die belegen, dass die Schlafqualität abnimmt, wenn das Mobiltelefon im Schlafzimmer liegt und zwar auch dann, wenn es abgeschaltet ist. Der Schlaf wird zerstückelt, die Schlafqualität wird schlechter. Jugendliche schlafen – vermutlich auch durch die digitalen Medien getriggert – heute ein- bis eineinhalb Stunden weniger als früher. Die Resilienzforschung zeigt aber, dass ausreichend Schlaf für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sehr wichtig ist.

COBURGER: Schlaf ist also wichtig, wie sieht es mit der Bewegung aus?

Professor Kohls: Viel Bewegung ist ein extrem wirksames Antidepressivum. Die besten Ideen kommen häufig beim Laufen, denn das Gehirn wird verstärkt durchblutet und die kognitiven Areale werden angeregt. Empfohlen wird drei bis fünf Mal in der Woche leichte bis moderate Ertüchtigung, das kann ein Spaziergang sein, aber auch Hausarbeit gehört dazu.

Die Fragen stellt Gabi Arnold

Professor Dr. Nikokohls

Der Psychologe Niko Kohls ist gebürtiger Münchner, der sich seit mehr als 20 Jahren als Wissenschaftler und Berater schwerpunktmäßig mit den Zusammenhängen von Achtsamkeit, existentiellen Bedürfnissen, Werten sowie Gesundheit, Lebensqualität und Leistungsfähigkeit beschäftigt.

Als Keynotespeaker, Coach und Facilitator unterstützt er Unternehmen, Non-Profit Organisationen und öffentliche Institutionen im Kontext von Personalauswahl und -entwicklung, Führungskräftecoaching, betrieblichem Gesundheitsmanagement und der Implementierung von Veränderungsprozessen.

Niko Kohls studierte Psychologie an den Universitäten Jena und Freiburg und arbeitete danach einige Jahre als Berater im Gesundheits- und Assekuranzbereich. Nach seiner Promotion in Psychologie in Freiburg war er einige Jahre in England an der University of Northampton als Postdoktorand tätig. Im Jahr 2008 etablierte er ein innovatives Forschungsprogramm an einem Think Tank der Ludwig-Maximilians-Universität in München, das sich der Erforschung von neuro-, gesundheits- und organisationswissenschaftlich relevanten Aspekten von Motivation, Diversität und Resilienz widmete. In den letzten fünf Jahren hat Niko Kohls eine der weltweit größten Studien zu Achtsamkeit am Arbeitsplatz wissenschaftlich begleitet. Seit 2013 ist er an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg als Professor für Gesundheitswissenschaften im Bereich Integrative Gesundheitsförderung tätig. Im selben Jahr wurde Niko Kohls von dem Netzwerk „Weimarer Visionen“ mit dem „Amalia-Preis für Neues Denken“ in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. 2014 hat er den Preis für exzellente Lehre der Hochschule Coburg gewonnen. Niko Kohls hat mehr als 100 wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht und über 250 öffentliche und nichtöffentliche Vorträge und Keynotes gehalten.

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Foto: Val Thoemer

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