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Gefangen im Netz #27

Die unzweideutigen Angebote kamen unvermittelt auf den Account der jungen Frau in dem sozialen Netzwerk. Etwa zwei Jahre ist es her, dass eine Coburgerin via Facebook zu Dates eingeladen wurde – und zu anderem mehr. Der Überraschung folgte bald der Ärger, denn das Facebook-Profil, Bilder und andere Daten der Frau waren gestohlen worden. „Mit einem so gefälschten Profil hat dann eine Frau aus einem anderen Bundesland Männerbekanntschaften angebahnt“, erinnert sich Tino Wetzig von der Polizeiinspektion Coburg. Seit März vergangenen Jahres leitet der Hauptkommissar das eigens geschaffene Kommissariat für Internet- oder Cyberkriminalität.

Digitale Fallensteller

Ein zunächst wenig spektakulär anmutender Fall, aber so wie Computer, Smartphones und damit das Internet allgegenwärtig sind, genauso werden im World Wide Web und mit Computern Straftaten begangen. „Dabei kommen nahezu alle Deliktarten vor“, weiß Wetzig. Ob Betrug, Erpressung, Datenklau, Sabotage von EDV-Anlagen oder Kinderpornografie – das gesamte Strafgesetzbuch findet sich im Arbeitsgebiet der Cybercops.

Die Fallen in der digitalen Welt sind vielfältig. Der Klassiker sind die sogenannten Phishing-Mails, mit denen Betrüger die Nutzer von Bezahldiensten und Internet-Dienstleistern auffordern, Kontodaten zu bestätigen oder eine neue Registrierung durchzuführen. Diese Mails sind gefälscht, den Betrügern geht es darum, an fremde Konto- und Accountdaten zu gelangen. Über einen Link wird versucht, den Nutzer auf täuschend ähnliche Webseiten umzuleiten, um Passwörter oder Kreditkarten-Informationen abzugreifen.

Liebe und andere Infektionen

Dazu werden auch gern gefälschte Mahnungen benutzt. Per E-Mail fordern eine Anwaltskanzlei oder ein Inkassounternehmen, eine noch offene Rechnung zu begleichen. „Viele Empfänger bekommen einen Schreck, sie vergessen sämtliche Vorsichtsmaßnahmen und öffnen den Anhang der E-Mail. Damit ist der Rechner infiziert.“ Bestätigungen für Anmeldungen oder Bestellungen als Anhang einer E-Mail, das wiederholt der Hauptkommissar gebetsmühlenartig, sollten nur von bekannten Absendern geöffnet werden.

Seit langem bekannt, aber immer noch und wieder erfolgreich und sehr variabel sind die digitalen Angriffe der sogenannten Nigeria-Connection. In Chat-Rooms und in Partnerbörsen werden Kontakte mit den überwiegend männlichen Gesprächspartnern aufgebaut. Die angeblich große Liebe veranlasst das Opfer, sich freizügig vor dem Rechner zu präsentieren, die integrierte Kamera zeichnet heimlich das Geschehen vor dem Monitor auf. Werde kein Geld überwiesen, sollen das Schmuddelfilmchen und weitere gefälschte Informationen im Umfeld des Opfers veröffentlicht werden. Ende Mai hatten fünf Coburger genau diesen Erpressungsversuch bei der Polizei angezeigt.

Geld ist weg

Der Betrug mit Vorausgebühren ist nach den Worten von Tino Wetzig trotz aller Warnungen immer noch erfolgreich. Millionen von US-Dollar sollen angeblich ins Ausland geschafft werden. Dafür versprechen die meist als afrikanische Geschäftsleute auftretenden Betrüger eine erkleckliche Entschädigung. Erbschaften in Millionenhöhe sollen die Opfer verleiten, „Gebühren“ für Anwälte, Steuern oder Überweisungen im Voraus zu überweisen. Sicher ist: Dieses Geld ist im Fall der Fälle verloren, eine Erbschaft oder Aufwandsentschädigung gibt es nicht. In unregelmäßigen Abständen melden sich auch angebliche Windows-Mitarbeiter telefonisch und wollen sich unter dem Deckmantel wichtiger Updates unbeschränkten Zugriff auf den heimischen Rechner verschaffen. „Da geht es natürlich auch nur um anschließende illegale Abbuchungen“, stellt Tino Wetzig fest. „Diese Täter rufen aus Callcentern in Indien an, regelmäßig kommen Geschädigte zu uns.“ Auch auf dem dienstlichen Apparat eines Kollegen hätten sich schon diese angeblichen Microsoft-Mitarbeiter gemeldet.

Teure Telefonrechnungen

Facebook-Nutzer haben Cyber-Kriminelle mit der „Zong“-Masche im Visier: Mit einer „Zong-SMS“ stimmt der Empfänger einem Geldtransfer zu. Unter dem Namen eines befreundeten Facebook-Mitglieds kontaktieren die Betrüger über das soziale Netzwerk das spätere Opfer. Zuvor haben sie sich in das Profil des Nutzers „gehackt“, um an die Namen der Facebook-Freunde zu gelangen. Diese schrieben die Kriminellen an und baten unter einem Vorwand, ihre Handynummer zu übermitteln.

Um mit den erhaltenen Telefonnummern Kasse zu machen, wenden sich die Betrüger in der Regel an mobile Zahlungsanbieter, wie eben das SMS-Bezahlsystem Zong oder aktuell auch Boku. Der Anbieter übermittelte per SMS Zahlencodes, die zur Bestätigung der Bezahlvorgänge dienen. Diese sollten die Geschädigten ebenfalls an ihren vermeintlichen Facebook-Bekannten weiterleiten. In dem Glauben, einem Freund einen Gefallen zu tun, kamen sie der Bitte nach. „Die nächste Telefonrechnung beschert mit hohen Beträgen ein böses Erwachsen“, weiß Kriminalhauptkommissar Wetzig. „Bevor man eine PIN eingibt, sollte man genau lesen, warum diese Eingabe nötig sein soll, und dass man damit etwas bezahlt. Es steht dort!“

Betrügereien als Kick

300 bis 400 Fälle von Computerkriminalität im Jahr registriert die Polizeiinspektion Coburg, so Hauptkommissar Wetzig. Bei vielen Straftaten führen die Spuren ins Ausland. Dann sind die Ermittlungen langwierig und kompliziert. Bis ein internationales Rechtshilfeersuchen bearbeitet ist, können viele Wochen ins Land gehen. 2017 wurden in Bayern 25.832 Fälle registriert, bei denen das Internet als Tatmittel eingesetzt wurde. Das bedeutet eine Steigerung um 3,9 Prozent gegenüber 2016. Ein klassischer Online-Betrüger beschäftigte die Coburger Polizei vor einigen Jahren. Der Mann, beheimatet in der Region, besorgte sich persönliche Daten anderer Menschen aus dem Internet. „Einen fertigen Datensatz bekommen Sie schon für 1,50 Euro, mitunter werden Daten auch verschenkt“, so der Hauptkommissar.

Mit den Informationen bestellte der Betrüger jede Art von Waren. „Das ging von der Tube Zahncreme bis hin zu Computern. Auf Kosten fremder Leute bestritt der Mann so seinen Lebensunterhalt.“ Die Pakete und Päckchen ließ sich der Täter an Packstationen schicken. Dort kann man völlig anonym die Sachen abholen. „In ganzen Franken benutzte der Mann Packstationen. Um einen solchen für Straftäter sicheren und nur in Deutschland möglichen „Vertriebsweg“ beneiden uns Kriminelle in der ganzen Welt“, ereifert sich Tino Wetzig. Schließlich fälschte der Gauner auch Ausweise, um für seinen Betrug auch Paketshops nutzen zu können. „Der Mann arbeitete übrigens in der IT-Branche und hatte einen guten Job. Für ihn war der Kick das Motiv, ob die Betrügereien funktionieren.“

In der Welt der Internet- und Computerkriminalität sind „Cybercops“ wie Tino Wetzig mit immer neuen Phänomenen, mit neuen Betrugsmaschen und Gaunereien konfrontiert. „Aber leider auch immer wieder mit viel zu gutgläubigen und unkritischen Opfern.“

„Viele Empfänger bekommen einen Schreck, sie vergessen sämtliche Vorsichtsmaßnahmen und öffnen den Anhang der E-Mail.“

von Chris Winter

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