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HIER WOHNTEN… #24

… die Vornehmen Leut

Eine vornehme Straße ist sie einst gewesen. Vielleicht die vornehmste überhaupt in der Vestestadt mit all ihren feinen Ladengeschäften und herzoglichen Hoflieferanten. Gar ein Boulevard hätte sie sein können, die Mohrenstraße. Wäre da nicht dieser seltsame Knick in ihrem Verlauf nach der Itzbrücke Richtung Westen.

Manch Zugereister mag sich das schon gefragt haben, warum diese aus- und einladende, kerzengerade Hauptstraße mitten in der Innenstadt nach der Itz plötzlich ihre Richtung ändert. Würde sie geradeaus weiter führen, wie es von den Stadtentwicklern in der Mitte des 19. Jahrhunderts geplant war, führte sie direkt auf den Bahnhof zu. Sie wäre somit tatsächlich ein prachtvoller Gehweg vom Bahnhof bis in die Innenstadt geworden. Im Zuge der Stadtentwicklung wurde sie 1860 angelegt, um die Spitalgasse mit dem Bahnhof zu verbinden. Anfangs war die nach der Coburger Wappenfigur benannte Straße eine Wohnstraße des gehobenen Mittelstandes. Rentiers, wohlhabende Witwen, Geschäftsleute ließen sich hier nieder. Lediglich fünf Ladengeschäfte gab es am Ende des 19. Jahrhunderts.

Den 1893 ausgeführten Bau des dreigeschossigen Wohn- und Geschäftshauses mit der Hausnummer 31 mit Mansarddach leitete Maurermeister Martin Renner. Auftraggeber war der Hofkonditor Albert Axthelm. Die dreigeteilte Fassade greift, wie viele Häuser in Coburg, die Formensprache des manieristischen Historismus auf, was sich in der Verwendung genuteter Pilaster verdeutlicht. Den Mittelteil der Fassade bildet ein flacher Risalit, in dem die Fenster zu Dreiergruppen zusammengefasst und von Sturzgesimsen überfangen sind. Auch die seitlichen Fenster tragen solche Sturzgesimse, die mit denen des Mittelteils eine betonte Bänderung bilden. Das mittlere Fenster im ersten Obergeschoss wird zusätzlich durch einen Segmentbogen mit Kartusche hervorgehoben. Das Zwerchhaus mit Mansardwalmdach greift die Gliederung der mittleren Fassade vereinfacht auf (Wikipedia).

Das bekannteste Haus der Mohrenstraße aber ist zugleich das am längsten vor Ort existierende – das Café und die Konditorei Schubart. 1891 vom Eisfelder Konditor Carl Schubart gegründet, stieg das Unternehmen schnell zum Hoflieferanten auf, was das herzogliche Wappen über dem Wappen bis heute zeigt. Weiter oben in der Hausnummer 25 zog im Jahre 1894 Clara Blümig mit ihrem Wäschegeschäft ein. Auch diese feine Adresse avancierte mit feiner Wäsche und erlesener Herrenkonfektion zum Hoflieferanten.

Der Coburger Mohr gab der Straße einst ja ihren Namen. Eine Zeit lang hatte er als Namensgeber der Straße sozusagen abgedankt und erhielt einen anderen, wenig schmeichelhaften Namen. Nach Hitlers Machtübernahme ersetzten die Stadtobersten nach 500 Jahren zuerst den Mohren in ihrem Stadtwappen durch Schwert und Hakenkreuz. Danach wurde aus der Mohrenstraße kurzerhand die Straße der SA. Vom Coburger Mohr existiert aber auch eine unterhaltsame Anekdote. Seit den fünfziger Jahren führte der Coburger Möbelhändler Rudolf Jacob einen kraushaarigen Mohren in seinem Firmenschild. Bis zum Jahre 1967 ohne Beanstandung. Dann kam die Stadtverwaltung unter ihrem damaligen Oberbürgermeister Dr. Langer auf die Idee, nach einer Erlaubnis zur Führung des Stadtwappens zu fragen. Vielleicht war die Stadtführung ja nur auf der Suche nach neuen Einnahmequellen – der Bau des Kongresshauses und des neuen Wohngebietes Demo verschlangen in den sechziger Jahre große Summen. Der für seinen rauen Umgangston bekannte Bürgermeister klagte nämlich auf Unterlassung. Der Möbelhändler sollte den Mohren nicht mehr als Firmenlogo führen dürfen. Oder eine Genehmigung nach entsprechender Zahlung einer Gebühr beantragen. Doch die Stadt verlor in erster Instanz. Denn das Gericht entschied, dass der den Mohrenkopf umgebende Kreis des Logos nicht als Wappenschild angesehen werden kann und somit nicht verwechslungsfähig sei.

Die Mohrenstraße jedenfalls darf ganz ungescholten weiterhin so heißen und beherbergt im 21. Jahrhundert Coburger Bürger die hier wohnen, Ladengeschäfte, Bäckereien, Optiker, Läden für Telekommunikation, Kaufhäuser und Fast food Restaurants und ist somit ein Beweis dafür, dass wichtige Straßen sich ihrer Benutzung anpassen können und damit mitten durch das Leben ihrer Bewohner führen.

Autorin: Heidi Schulz-Scheidt

Bildquelle: Sebastian Buff

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