… Schuster, Metzger und Leineweber
Fast wie in Florenz fühlt man sich hier oben im 3. Stock. Ringsherum windschiefe Stadthäuser, rote Dächer und dazwischen immer wieder ein Stückchen Himmel. Aus einem der Fenster sieht man direkt auf das üppige Salvatorportal mit der Christusfigur. Die Fensterfront nach Süden lässt die kleinen Räume erstrahlen. Und klein sind sie wirklich, die Räume in dem grünen Häuschen in der Salvatorgasse 1.
Auf einer Grundfläche von nur 40 Quadratmetern steht das Haus, dessen Grundmauern auf das Jahr 1404 zurückgehen. Zwischenzeitlich beherbergte es 15 Bewohner. Und dies mit nur einer Toilette, die sich zudem noch im Treppenhaus befand. Bemerkenswert. Nichts erinnert heute bei dem mit einer Stadtbild-Medaille ausgezeichneten und liebevolle restaurierten Gebäude mehr an die düsteren, verrußten Räume, die hier im Mittelalter verschiedene Handwerksberufe beherbergten. Egal ob Leineweber, Schuster oder Metzger. Eng und stickig muss es hier dereinst zugegangen sein. Schließlich lebten und arbeiteten die Handwerker mit ihren Familien zu dieser Zeit unter einem Dach. Und nicht nur das. Die Häuser waren Werkstatt, Wohn-, Geschäfts- und Speicherhaus. Auch einen Kamin im heutigen Sinne besaßen diese erst zu späterer Zeit. Üblich war eine offene Feuerstelle – natürlich ohne Rauchabzug. Entsprechend schlecht war die Luft. Unten also Arbeitsstelle, in den oberen Etagen wurde gewohnt. Immer wieder wurde das Gebäude den Lebensbedingungen der Menschen angepasst. Im 18. Jahrhundert stockten die Besitzer ein weiteres Geschoss auf. Im 19. Jahrhundert kam ein schmückendes Zwerchhaus dazu. In den 1960er Jahren wurde gar eine Garage angebaut. Im Jahre 2014 war das Handwerkerhäuschen eigentlich eine Ruine. Es stand seit vielen Jahren leer, seit Jahrzehnten kümmerte sich keiner um die Instandhaltung. Und dennoch wagten es Sabine und Frank Zeitner, und kauften das kleine Häuschen direkt am Eingang zum Salvatorfriedhof. Ob es ein Zufall war, dass der Hausherr bei der ersten Begehung im 3.Stock einen Strick entdeckte, der vom Dachbalken hing? Heute kann Frank Zeitner darüber lachen. Die Sanierung verschlang viel Zeit und viel Geld. Und ohne die Fachkenntnisse von Sabine Zeitner, die in einem Architekturbüro arbeitet, wäre das Ergebnis vielleicht nicht so hübsch ausgefallen. Aber es hat sich gelohnt. Die kleinen schmucken Eckchen und Winkel. Die Holztreppe, die im Originalzustand erhalten werden konnte. Die schiefen Fenster, die von alleine aufgehen, wenn man den Hebel löst. Die Ausblicke auf markante Stadtbilder. Die wertvollen Balken aus dem 16. Jahrhundert. Allein die Restaurierung einer Balkendecke kostete ein kleines Vermögen. Die Bohlenstube aus dem Spätmittelalter war ein besonderer Raum. Nicht nur aufgrund der Tatsache, dass das hierbei verwendete Holz auf das Jahr 1594 datiert werden konnte. Diese gute Stube hatte eine Art Heizung. Zur damaligen Zeit höchster Luxus. Man geht davon aus, dass die Befeuerung eines Ofens im Treppenhaus die Wände derart aufheizte, dass diese Bohlenstube im 1.Stock tatsächlich mit geheizt werden konnte. Ein bisschen Gemütlichkeit im harten Handwerkerdasein.
Heute freut sich die junge Mieterin über ihre hübsche rote Balkendecke in ihrer kleinen, feinen Wohnung. Erstaunlich, was man auf weniger als 5 mal 8 Metern alles unterbekommt, wenn man gut plant. Nämlich ein Wohnzimmer, eine Küche, ein Schlafzimmer und ein Bad. Und auch die Mieterin im 2. und 3. Stock ist ganz verliebt in ihre Miniaturwohnung, die dennoch alles beherbergt, was man zum Leben braucht. Und besonders schön ist es außerdem noch hier. Mitten in der Stadt. Über den Dächern Coburgs. In einem wieder belebten Handwerkerhäuschen in der Salvatorgasse. Früher nannten sie die Einheimischen Totengasse. Denn hier mussten die Leichenzüge durch, die zum Friedhof zogen. Aber das ist zum Glück lange her.
Autorin: Heidi Schulz-Scheidt
Bildquelle: Sebastian Buff
Ganz wunderbar. Ich bin immer wieder erstaunt was man aus den alten Häusern machen kann. Es ist toll das es Menschen gibt die die Mühe und das Geld dafür aufbringen.