…fleissige Gerber

von Heidi Schulz-Scheidt | Fotos: Val Thoermer

Wasser war wichtig. Alle Handwerker und Bewohner der Stadt brauchten es. Zum Leben, aber auch zum Arbeiten. Und hier unten am Lohgraben hinter dem Postgebäude soll man direkt über einem Fluss stehen? Obwohl, ein echter Fluss ist das eigentlich gar nicht, der Hahnfluss. Eher ein künstlich angelegter Kanal, der die Coburger Mühlen antrieb und in welchem die Gerber ihre Häute waschen konnten. Erst in den neunzehnhundertsechziger Jahren wurde er verrohrt und fließt jetzt unsichtbar unter der Stadt hindurch.

Die geschwungene Linie dieser kleinen Gasse und die unregelmäßige Bebauung fallen sofort ins Auge. Natürlich konnte man hier nicht korrekt Haus an Haus bauen. Denn der Uferlauf bestimmte, wohin die Gerberhäuser gebaut werden mussten. Schließlich brauchten die Handwerker viel Wasser für ihr Gewerk. An der Ecke zur Brunngasse steht das Haus mit der Nummer 2, frisch renoviert und mit einer Sanierungsmedaille ausgezeichnet. Ein typisches Gerberhaus aus dem 17. Jahrhundert mit offenem Laubengang und Trockenböden im Dachgeschoss. Hier oben endete der handwerkliche Prozess des Gerbers, wenn die Häute zum Trocknen gespannt unterm heimischen Dach hingen.

Anschließend wurden sie geglättet und gewachst, bevor sie weiterverkauft werden konnten. Im Erdgeschoss der Hausnummer 2 sieht man noch die kleine Türe, die aus dem Keller direkt auf den ehemaligen Hahnfluss hinaus ging, um die Tierhäute im Fluss zu waschen. Diese Gasse unterhalb des Steinwegs hat ihren Namen von der Lohe, der Bezeichnung für die zum Gerben verwendete Rinde. Mit dieser Technik entstand besonders strapazierfähiges Leder für Schuhe. Man kann sich vorstellen, welchem Gestank die Menschen bei ihrer Arbeit ausgesetzt waren. Haare mussten von den Tierhäuten abgeschabt werden und die Häute lagen teilweise jahrelang in der Lohgrube. Immer wieder mussten sie umgeschichtet und gespült werden. Deswegen lagen Gerberhäuser immer an Gewässern.

Das alte Gerberhaus in der Brunngasse ist nur ein Teil eines dreiteiligen Gebäudekomplexes, der vom Steinweg hinunter durch die Brunngasse bis in den Lohgraben führt. Matthäus König konnte das Ensemble nur zusammen kaufen. Und wenn er gewusst hätte, was bei der Sanierung alles auf ihn zukommt, hätte er es wahrscheinlich gelassen. Wurmstichigen Balken und fehlender Dämmung aber wurde letztendlich getrotzt.

Jetzt präsentiert sich das Handwerkerhaus von seiner schönsten Seite. Öffnet man die Eingangstüre, ergeben sich ungeahnte Blicke, die man von außen so nicht erwartet. Eine Treppe führt an einer offen gelegten Sandsteinmauer entlang und plötzlich steht man auf einer Galerie mit dem Blick auf einen mit Kopfstein gepflasterten Hinterhof. Zum Schutz gegen Tauben hat sich der neue Eigentümer eine schicke Holzlatten Absperrung einfallen lassen. So kommt das Licht hinein und die Tiere bleiben draußen. An der ehemaligen Außenmauer des Gebäudes entlang gelangt man über eine Treppe in die verschiedenen Wohnungen.

Im 2. Stock ist eine schicke Ferienwohnung entstanden. Unter „Wohnen im Gerberhaus“ kann man diese auf den bekannten Internetportalen mieten. Ein gelungenes Beispiel für die Schaffung modernen Wohnraums in historischem Ambiente. Und so fleißig, wie die Gerber vergangener Jahrhunderte hier gearbeitet haben, war auch der neue Eigentümer, um dieses Schmuckstückchen am Lohgraben aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken.

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