Arbeiten im Knast
Schwere, vergitterte Türen, ein hasserfüllter rauer Umgangston, muskelbepackte maximaltätowierte Brutalos, Schlägereien, überfüllte Zellen oder Isolationshaft, Folter: Gefängnisse sind rechtlose anarchische Parallelgesellschaften, in denen Wärter mit den Rädelsführern der Umtriebe noch gemeinsame Sache machen oder lieber Mal wegschauen, wenn ein Insasse verprügelt wird, anstatt ihm zu helfen: Dieses Bild haben wohl viele, wenn sie an die Zustände in einem Knast denken. Geprägt von Filmen und Serien, weil eine scheinbar so fremde Welt spannender zu erzählen ist als der möglicherweise viel langweiligere Alltag. Geprägt sicher auch von Meldungen über die Zustände in Gefängnissen totalitärer Systemen ohne rechtsstaatliche Mindeststandards. Doch auch in Deutschland wird jeder vierte Insasse einmal im Monat Opfer körperlicher Gewalt, sagt eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen aus dem Jahr 2012. Das ist zwar nicht annähernd vergleichbar mit den Zuständen in manch anderen Ländern, aber eben auch alles andere als ein fröhlicher Urlaub in einer Jugendherberge.
In so einem Umfeld zu arbeiten, als Justizvollzugsbeamter täglich seine Arbeit zu leisten, ist also auch hierzulande eine besondere Herausforderung. Nicht umsonst ist die Zahl der Frühpensionierungen in diesem Beruf hoch, liegt bei um die 50%. Jeder Zweite also hört vor der Rente auf. Auch der Krankenstand ist hoch. Ausdruck auch des hohen Drucks, unter dem Beamte in einer JVA stehen. Viele Gefangene sehen die Uniformträger nicht als Betreuer oder Helfer, als Begleiter oder Aufpasser auf Zeit, im besten Fall sogar als Vorbereiter auf die Zeit nach dem Knast, sondern als Feind, als fleischgewordene Staatsgewalt, verantwortlich für das eigene Leben hinter Gittern.
Auch die Belastung auf die Beamten in den oberfränkischen Gefängnissen in Bamberg, Kronach, Bayreuth und Hof steigt, weil die Gefängnisse an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt sind. So sind die 100 Plätze der JVA Kronach nahezu immer be-, meistens überbelegt, wobei in der Lucas-Kranach-Stadt nur Männer einsitzen, in der JVA Bamberg in einer eigenen Abteilung auch Frauen. Insgesamt 200 Verurteilte verbüßen in der Domstadt ihre Strafen.
Das Eingesperrtsein auf engem Raum, das Aufeinandertreffen von Machtinteressen innerhalb des Systems Gefängnis, männliche Aggressionen ohne natürliches Ventil drohen immer wieder zu explodieren.
Die äußeren Insignien eines Justizvollzugsbeamten sind Uniform, Schlüsselbund, Funkgerät. Dazu aber braucht er vor allem auch gute Nerven, Menschenkenntnis und Autorität. Immerhin hat man es mit Menschen in einer Extremsituation zu tun, eingesperrt, unfrei, oft am Rande der Existenz, manchmal Schwerkriminelle mit ihren ganz eigenen Gesetzen. Grenzen ziehen, Regeln durchsetzen und es dabei nicht an Respekt und Umgangsformen für die Gefangenen mangeln zu lassen, selbiges aber auch einzufordern, ist entscheidend für eine erfolgreiche Karriere als Beamter im Vollzug.
So beginnt auch eine Ausbildung zum Justizvollzugsbeamten frühestens mit 20 Jahren. Im Schnitt liegen Auszubildende sogar bei Mitte 20. Ein Mindestmaß an Lebenserfahrung bringt man dann schon einmal mit, bevor man es in der praktischen Ausbildung mit den Inhaftierten zu tun bekommt. Das kann nicht schaden, viele haben schon in anderen Berufen gearbeitet, bevor sie sich bewerben. Und das tun viele: nach einer zweijährigen Probezeit lockt eine sichere Beschäftigung als Beamter mit einer ordentlichen Bezahlung. Das ist attraktiv in der schnelllebigen flexiblen Wirtschaftswelt, die nicht jedermanns Sache ist. Doch nur die wenigsten Bewerber schaffen den Einstellungstext: Diktat, Aufsatz, Allgemeinwissen, Mathe, Sport, Gesprächsführung und andere Skills sind Voraussetzung, um überhaupt eine Chance zu bekommen. Daran scheitern viele. Und natürlich werden die Persönlichkeit, die eigenen Werte, die psychologische Verfassung von Bewerbern durchgecheckt.
Zwei Typen möchte man nämlich überhaupt nicht für den Dienst im Vollzug: Menschen mit einem Helfersyndrom, verkappte Psychotherapeuten also, die möglicherweise die eigenen Probleme mit der Hilfe für gescheiterte Existenzen im Gefängnis lindern wollen, und auf der anderen Seite Bodyguards mit einem Hang zum rigorosen auch einmal körperbetonten Durchgreifen. Doch immer wieder bewerben sich gerade solche Persönlichkeitsbilder für den Job als Justizvollzugsbeamter. Gesucht werden dagegen stabile Menschen, konsequent, mit klaren Vorstellungen, Menschenkenntnis und einer guten Allgemeinbildung. Das fachliche Know-How kommt dann bei der schulischen Ausbildung dazu: Strafrecht, Psychologie, Kriminologie und auch Waffenkunde. Vor allem aber der praktische Teil mit der Arbeit im Gefängnis ist dann entscheidend, ob der Job der richtige für das weitere Berufsleben ist: Schichtdienst rund um die Uhr, auch an den Wochenende, und vor allem der Umfang mit den Inhaftierten.
Denn auch wenn es in deutschen Gefängnissen relativ geordnet und gesittet zugeht, muss man als Beamter in einem Knast immer mit ernsten Zwischenfällen rechnen, mit Hass und Gewalt, so wie im Juli dieses Jahres in Torgau in Sachsen, als es zu einer Messerstecherei zwischen zwei Gefangenen kam oder in Wuppertal im Frühjahr, als bei zwei Zwischenfällen zwei Männer sterben, oder im März in Berlin, als ein 15-jähriger zwei Beamtinnen verprügelte. Aber auch Vorkommnisse wie der Hungerstreik von 40 Gefangenen in Würzburg, die für eine Methadon-Therapie demonstrierten oder zahlreiche Fluchtversuche dokumentieren die hohe Anspannung, unter der alle Insassen ob als Häftling oder als Beamter in einer JVA bisweilen stehen. Das Eingesperrtsein auf engem Raum, das Aufeinandertreffen von Machtinteressen innerhalb des Systems Gefängnis, männliche Aggressionen ohne natürliches Ventil drohen immer wieder zu explodieren. Das zu vermeiden, aufzupassen, dass jede Stunde, jeder Tage, jede Woche, jeder Monat seinen zwischen Schlafen, Essen, Arbeiten und Freizeit eng regelten Gang geht, ist die Aufgabe eines Beamten im Vollzug. Darüber hinaus aber muss er Gefangene auf die Entlassung vorbereiten. Der Schritt aus dem Knast hinaus ins wirkliche Leben ist für viele erst das eigentliche Problem. Wie geht’s weiter mit dem Job, mit Bekannten, Freunden, in der Familie, mit dem Partner. Schließlich soll der Aufenthalt im Gefängnis nicht zur Regel werden, sondern eine Ausnahme bleiben. Das gelingt nur mit einer guten Resozialisierung, auf die Justizvollzugsbeamte schon im Vorfeld einer Entlassung mit dem Gefangenen hinarbeiten.
Kein leichter Job, wenn man es mit Häftlingen zu tun hat, die lange Haftstrafen verbüßen müssen, die zum wiederholten Male im Knast sind oder keine Perspektive mehr haben. Die meisten aber sind zwei, drei, vielleicht vier Jahre im Gefängnis. Oft wegen Drogendelikten, Diebstahl oder Einbruch.
Zwei Typen möchte man nämlich überhaupt nicht für den Dienst im Vollzug: Menschen mit einem Helfersyndrom oder Bodyguards
Autor: Wolfram Hegen
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