Sonderthema Werte: Der Wert des Lebens #50

Halten wir einen Moment inne und hören wir in uns hinein. Was ist uns wichtig im Leben? Was fühlt sich für uns richtig an? Ist es die Erfüllung im Beruf? Oder benötigen wir ein PS-starkes Auto und ein schickes Haus? Sind es Werte wie Ehrlichkeit oder Treue? Brauchen wir das Abenteuer oder lieben wir die Sicherheit? Der COBURGER hat ein Paar getroffen, das alles hinter sich gelassen hat und zwei Jahre lang um die Welt gereist ist. Fragt man Liane Blietzsch und Ralf Zetzmann nach ihren Werten, wird eines sofort klar: An materiellen Dingen hängen die beiden nicht, weder ein teures Auto noch ein Eigenheim besitzt das Ehepaars, nicht einmal ein Mobiltelefon benötigt Ralf Zetzmann. „Der Wert des Lebens bedeutet für mich, das Leben zu leben“, sagt der Coburger. „Und Träume nicht aufzuschieben, sondern umzusetzen“, ergänzt seine Frau. Die beiden haben das getan: Ihre Träume realisiert.

Das Leben einfach Leben

Mit wenig Gepäck, aber umso mehr Optimismus starten Liane Blietzsch und Ralf Zetzmann am 25. Oktober 2018 in ein Abenteuer. Zwei Jahre lang kehren sie Coburg den Rücken und entdecken neue Länder. Sie ziehen los, ohne einen konkreten Plan zu haben. Nur das nehmen sie sich vor: „Wir wollten längere Zeit in Indonesien bleiben und einen Wal sehen.“ Abenteuerlustig war das Paar schon immer: Im Jahr 1991 reist Ralf Zetzmann mit einem guten Freund ein halbes Jahr durch die Türkei, macht sich mit Land und Leuten vertraut und lernt ein wenig die türkische Sprache. Ein Jahr später begibt er sich auf Weltreise. Existenzängste sind ihm fremd, er gibt aber zu „Es ist am Anfang klar nicht immer einfach, wenn man zurückkommt und man hat nichts, keine Wohnung und keine Arbeit.“ Später unternehmen er und seine Partnerin Reisen in ferne Länder jenseits der Touristen. Sie wollen vorwiegend die Menschen und die Kultur kennenlernen. „Wir sind nach Madagaskar, Eritrea, Venezuela gereist, immer so für drei, vier Wochen“, erzählen sie. Aber für zwei Jahre aussteigen, ist für beide eine neue Erfahrung.

Das Schlüsselerlebnis

Liane Blietzsch sitzt im Zug von Erfurt nach Coburg, als ihr diese Gedanken kommen: „Die Welt ist viel zu schön, als nur einmal im Jahr für dreieinhalb Wochen in Urlaub zu fahren.“ Sie möchte ferne Länder und neue Kulturen entdecken, und zwar für längere Zeit. Die Idee nimmt Gestalt an. „Ich habe gesagt, wenn wir auf Weltreise gehen, dann sollen es zwei Jahre sein“, sagt ihr Partner. Das Vorhaben steht unter einem guten Stern, alles läuft wie geplant. Blietzsch, Sozialpädagogin im AWO-Mehrgenerationenhaus, wird von ihrem Arbeitgeber freigestellt, Zetzmann, Schreiner und Maschinenbauer, kündigt seinen Job. Es gelingt, die Wohnung für zwei Jahre möbliert zu vermieten. Im Vorfeld regeln die beiden die Krankenversicherung und die Finanzen. Mit einem Budget von je 30.000 Euro und zwei Rucksäcken, einem kleinen und einem großen, startet die Weltreise. Das Packen will überlegt sein. Nicht fehlen dürfen Geschirr, Tassen und Besteck. Hinzu kommen eine Solarzelle, eine Taschenlampe, Aufbereitungstabletten für Wasser, Kleidung, Regenjacke, Turnschuhe, Bergschuhe und Flipflops. Außerdem Medikamente wie Breitband-Antibiotika, Malariaprophylaxe und ein Mittel gegen Durchfall, auch Bücher finden im Gepäck Platz. Mit 20 Kilogramm auf dem Rücken und circa fünf bis sieben Kilogramm auf der Brust geht es los. Mit einem One-Way-Ticket fliegen sie von München nach Kuala Lumpur in Malaysia, ihr erstes Ziel. Vier Monate halten sich die beiden in Indonesien auf und wohnen dort in günstigen Hotels. Sie leben wie die Einheimischen, fahren mit Fähren dicht an dicht gedrängt, 28 Stunden über das Meer. Es ist stickig, es ist laut, es sind viele Menschen ,auf engem Raum. Sie erkunden viel Schönes, erleben große Gastfreundschaft, sehen aber auch viel Armut und Menschen, die unter den ärmlichsten Bedingungen hausen.

„Du drückst beim Reisen den Resetknopf und stellst fest, wir haben zu Hause eine Heizung, wir haben Leitungswasser.“ – Ralf Zetzmann

Anders als in Indonesien muss man in Neuseeland für eine Unterkunft tief in die Tasche greifen. Deshalb kaufen die Reisenden ein Auto, das Platz für eine Matratze als Schlaflager bietet und übernachten auf Campingplätzen. Mit dem durchschnittlichen Budget von 60 Euro können sie gut haushalten. Die erschwinglichen Lebenshaltungskosten in den asiatischen Ländern gleichen die höheren Preise in Ländern wie Neuseeland wieder aus.

Von Neuseeland reisen sie weiter in die Südsee und beschließen zu heiraten. „Wir haben gesagt, wenn wir einen schönen Strand finden, dann heiraten wir dort.“ Einen idealen Strand entdecken sie schließlich und wieder klappt der Plan reibungslos. Das Paar bekommt eine Genehmigung für die Eheschließung und Trauzeugen werden gefunden. „Wir hatten wieder Glück und eine internationale Geburtsurkunde und Ehefähigkeitsbescheinigung dabei.“ Sie geben sich an einem Traumstrand im türkisblauen Wasser das Ja-Wort. Ihre Eheringe haben beide am Ringfinger tätowiert.

Argentinien wird abgeriegelt

Frisch vermählt fliegt das Paar in die USA und nach Mexiko und weiter nach Südamerika, nach Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien, Chile und Argentinien. Dann kommt Corona. In der 500.000 Einwohner Stadt, in der sich das deutsche Paar aufhält, gibt es fünf bestätigte Covid-19-Infektionen. Der gesamte Kontinent wird rigoros dichtgemacht. Das Land ist abgeriegelt, es fahren keine Busse mehr, die Eingänge der Stadt sind mit mit Pollern versperrt, die Polizei kontrolliert streng die Ein- und Ausfahrten, vor den Lebensmittelgeschäften bilden sich lange Menschenschlangen, vor dem Betreten wird die Temperatur gemessen. Das geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem die Weltenbummler ihre weitere Reise durchgeplant und Flüge gebucht haben. Zum Glück halten sie sich in einer AirBnB Wohnung auf, in der sie bleiben können. Sie hoffen, dass sie nach zwei Wochen ihre Reise fortsetzen können. Es sollen zweieinhalb Monate werden, in denen sie eingeschlossen in der Wohnung leben. „Wir hatten Internet, eine Küche und auch Netflix hat uns über diese Zeit gerettet“, sagt die 44-Jährige.

„Der Abstand tut gut, um Dinge leichter anzugehen“ – Ralf Zetzmann

Zurück nach Deutschland

Im Juni 2020 schließlich fahren sie mit dem Taxi nach Buenos Aires, hier fliegen sie mit einem von der Deutschen Botschaft organisierten Flugzeug nach Frankfurt am Main. Es handelt sich aber um keinen Rückholflug, sondern sie zahlen das Ticket. Ein Jahr und fünf Monate sind seit dem Aufbruch aus Deutschland vergangen und die zweijährige Weltreise ist damit noch nicht beendet. „Wir hatten noch Zeit, auch Geld und Lust, um weiterzureisen.“ Das Paar lässt sich Fahrräder von Freunden nach Frankfurt bringen, dort verbringen sie zwei Wochen in Quarantäne, bevor sie mit Lastenanhängern und je 30 Kilogramm Gepäck losradeln, in Richtung Polen, an die Ostsee, an die russische Grenze und wieder zurück. Sie legen gut 3600 Kilometer zurück. Am 16. Oktober 2020 kommen sie mit vielen Eindrücken wieder in Coburg an. Zum zweiten Mal hat das SARS-CoV-2 das Leben ausgebremst. „Ich glaube unter normalen Umständen, wäre ich vielleicht überfordert gewesen“, sagt Blietzsch.

„Es war unwirklich. Ich dachte, wenn ich die Veste sehe, bin ich ergriffen, aber es war nicht so. Irgendwie war alles so wie immer, aber Du weißt, Du warst zwei Jahre lang weg.“ – Liane Blietzsch

Was geblieben ist, sind viele Eindrücke und Erfahrungen. „Wir waren überall freundlich willkommen geheißen“, erinnern sich beide. Das Paar hat sich seine Wünsche erfüllt und an einem Traumstrand geheiratet. Und: Liane hat ihren Wal gesehen.

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