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Wenn das Rampenlicht verglüht #41

Ein Gnadenhof für Pferde

Haben Tiere eine Würde? Nina Hopf muss bei dieser Frage nicht lange überlegen. „Aber ja, natürlich“, sagt die 25-jährige Schottensteinerin. Nina Hopf hat eine Leidenschaft für Pferde. Aber nicht nur das: Sie hat den „Itzgrundhof“ aus der Taufe gehoben. Dabei handelt es sich um einen Altersruhesitz für Wallache. Die Pferde, die dort stehen, sind zum größten Teil ehemalige Sportpferde, die in die Jahre gekommen sind und nicht mehr gebraucht werden. Der COBURGER war zu Besuch.

Von Gabi Arnold
Fotos: Val Thoermer

Ein leichter Wind weht an diesem Spätsommertag, die Abendsonne steht tief am Himmel und taucht die Koppel in ein goldenes Licht. Abseits, von der Straße nicht einsehbar, stehen unter anderem Graf Gustav, Tornado, Latino, Joey und Banita auf einer Weide am Waldrand. Man muss genau hinschauen, um zu erkennen, dass es sich bei den edlen Tieren um Senioren handelt. Nina Hopf nimmt Pferde auf, die ausrangiert sind, und schlimmstenfalls im Schlachthof gelandet wären. Die Tiere kommen aus ganz Deutschland in den Gnadenhof. Es sind hauptsächlich ehemalige Sportpferde, die dort ihren Endplatz finden. „Die Pferde dürfen sich hier ausruhen, sie werden versorgt und verwöhnt“, sagt die 25-Jährige und tätschelt dabei Latino liebevoll das Fell. Der Rheinländerwallach ist 21 Jahre alt und wurde im Jahr 2016 wegen eines Gelenkschadens im Gnadenhof aufgenommen.

Latinos bester Freund ist ein 17 Jahre alter Mischlingswallach namens Joey. Als Joey ebenfalls im Jahr 2016 zu der Herde kam, galt er als austherapiert; er leidet unter einer Ataxie, neurologischen Ausfallerscheinungen, die zu unkontrollierten Bewegungen, einem wankenden Gang oder Gleichgewichtsstörungen bei Pferden führen. In seinem neuen Domizil fühlt sich das weiß-braun-gefleckte Pferd sichtlich wohl, neugierig beschnuppert es die Besucher und versucht in die Taschen zu blicken.

Überhaupt begegnen die Pferde den Menschen offen und neugierig, sie haben Vertrauen. Sir Banita, der als zweiter Schützling in den Gnadenhof eingezogen ist, ist der Chef der Herde. 15 Jahre ist der polnische Warmblutwallach alt, verspielt, temperamentvoll und ausgesprochen lieb, sagt Nina. „Jedes Tier hat seine Geschichte, ich könnte viel erzählen.“ Viele ihrer Tiere sind ehemalige Turnierpferde, die früher im Rampenlicht standen, Prämien und Medaillen holten, bis sie nicht mehr die Leistung bringen konnten, krank und alt wurden. Leider sei der Reitsport zunehmend am Profit orientiert und auf das Wohl der Tiere werde oft keine Rücksicht genommen, sagt die Pferdeliebhaberin. „Ich meine, man sollte das Grundprinzip im Reitsport überdenken, mehr auf die Würde des Tieres achten“, so Nina. Es sei erschreckend, wie viele Pferde mit kaputten Beinen ankommen.

Vor acht Jahren, Nina ist 17 Jahre alt und absolviert eine Ausbildung als Tierarzthelferin im Großheirather Gemeindeteil Rossach, fängt alles an. „Da habe ich heimlich, ohne Wissen meiner Eltern, ein Pferd vor dem Schlachter gerettet“, erinnert sich Nina. Allerdings ist das Pferd so krank, dass der Tierarzt es nicht mehr retten kann und es schließlich eingeschläfert werden muss. „Ich war noch Azubi und hatte eine Tierarztrechnung von 1000 Euro.“ Das Geld zahlt sie in Raten ab und nimmt sich vor, nie wieder ein altes oder krankes Pferd aufzunehmen. „Ich wollte nach dieser Enttäuschung ein junges und gesundes Pferd.“

Doch es kommt anders. Nina trifft auf Tornado und es ist Liebe auf den ersten Blick. „Er stand in seiner Box und hat so traurig geschaut, das hat mein Herz erweicht.“ Tornado, heute 23 Jahre alt, war ein Traber, der sein Leben auf der Rennbahn verbracht hatte. Da Pferde soziale Wesen sind, braucht Tornado einen Freund und so kommt Banita ins Spiel. „Irgendwie hat mich der Ehrgeiz gepackt, noch mehr Pferden zu helfen“, sagt sie. Eigentlich sollte bei zehn Pferden Schluss sein, aktuell stehen 14 Pferde verteilt auf zwei Koppeln im Itzgrund.

„Die Pferde kommen kraftlos an, erholen sich, schöpfen Vertrauen und haben wieder Feuer in den Augen und das ist einfach schön“, erklärt Nina ihre Motivation. Im Itzgrundhof dürfen die Wallache in einer Herde leben, so wie es ihrer Natur entspricht, bis an das Lebensende. Nina erzählt von Rusty, der 30 Jahre alt wurde und seinen Lebensabend auf dem Gnadenhof verbrachte. „Rusty hat sein Leben gefeiert bis zuletzt.“ Als die Kräfte des Tieres endgültig nachlassen, darf es in der Gesellschaft der anderen Pferde sterben, und zwar in Würde. „Wir haben Rusty liegen lassen, damit die Herde Abschied nehmen konnte“, sagt die 25-Jährige. Rustys bester Freund Figo habe tagelang getrauert und nichts mehr gefressen. Pferde seien sehr soziale Wesen, als Herdentiere bräuchten sie Gesellschaft für artgerechte Haltung und ein würdevolles Leben, sagt Nina. Sabine Salewsky, die auf dem Hof mithilft, pflichtet ihr bei. „Jedes Lebewesen hat eine Würde und sollte auch seinem Wesen nach entsprechend leben können.“

Im Itzgrund stehen die Pferde in der warmen Jahreszeit verteilt auf zwei Weiden, einen Unterstand finden sie im angrenzenden Wald. Der Unterhalt verschlingt eine Menge Geld, der Itzgrundhof wird rein privat betrieben, Spenden sind deshalb willkommen, auch Patenschaften für Tiere können übernommen werden. Vor allem aber sucht Nina Hopf nach Unterstellmöglichkeiten, also Stallungen, für ihre Pferde im Winter. „Ich will mehr Pferden die Chance auf ein besseres Leben geben“, sagt sie. Der Gnadenhof ist für die Tierarzthelferin weit mehr als ein Hobby, er ist ihre Leidenschaft. Liebe und Vertrauen seien der Dank für ihr Engagement. Unterdessen kommt Latino und schmiegt seine Schnauze sanft an seine Besitzerin.

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