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Ziemlich beste Feinde #34

Ziemlich beste Feinde

Warum es zwischen Vermietern und Mietern oft Ärger gibt – von Chris Winter

Die Luft ist feucht und muffig. Ein beklemmendes Gefühl beim Atmen, beim Betreten des Zimmers das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen. In den Zimmerecken, vom Fußboden bis zur Decke, ist die Wand von schwarzen Schimmelflecken überzogen. Die weiße Tapete ist durch die Feuchtigkeit und eigene Schwere von der Wand abgefallen. Auf der Rückseite von Schränken ist der mikrobielle Befall zu sehen. Das Holz eines massiven Holzschranks hat sich verzogen und ist aufgequollen – die Schubfächer lassen sich nur noch mit Mühe herausziehen, die Türen klemmen.

Vor drei Jahren gab es diesen Zustand in einem Haus in einer Landkreis-Gemeinde. Zusammen mit den beiden Kleinkindern, eines noch kein Jahr alt, lebten Vater und Mutter in der Vier-Zimmer-Wohnung. Eingezogen war die Familie im September. Zwei Monate später hat das Vermieterehepaar zum ersten Mal mit der Familie über ihr Wohnverhalten gesprochen. Die Wäsche solle doch nicht in der Wohnung gewaschen und tropfend nass über Wäscheständer und Möbel gelegt werden. Für jede der Wohnungen gebe es im Keller des Vier-Parteienhauses eine eigene Waschmaschine und auch einen Trockenkeller.

Kaum ein anderes Gebiet menschlichen Miteinanders ist so mit Konflikten beladen wie das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter. Wobei die Ursachen für einen Streit, für den Weg über Fachanwälte vor ein Gericht, auf jeder Seite zu finden sind. Frank Sitte, Fachanwalt für Mietrecht und für den Mieterverein Coburg und Umgebung tätig, weiß aus seiner beruflichen Erfahrung von vier Bereichen, die sich häufig als Streitursache herausstellen. „Da ist die Betriebskostenabrechnung, das Thema Mieterhöhungen nach Modernisierungen, die Übergabe der Wohnung beim Auszug und immer wieder Schimmel.“

Wechselt ein Mieter die Wohnung, so muss er sogenannte Schock- und Knallfarben überstreichen und den Zustand wiederherstellen, der beim Einzug in die Wohnung geherrscht hat. „Denn die Vorliebe für pinkfarbene, blutrot oder schwarz gestrichene Wände teilt nicht jeder.“ Anders sieht es nach den Worten des Juristen bei zarten Pastellfarben aus. Die könnten möglicherweise einen Nachmieter erfreuen und müssten nicht überstrichen werden. Wichtig auch, in welchem Zustand die Wohnung beim Einzug war. Eine umfassende Dokumentation zum Beginn des Mietverhältnisses kann beim Auszug Streit vermeiden.

Die Frage, ob Mieter zu Schönheitsreparaturen grundsätzlich verpflichtet sind, sei eindeutig nicht zu beantworten, so der Jurist. Hauptpflicht eines Mieters sei es, die Miete zu bezahlen. Paragraf 535 des Bürgerlichen Gesetzbuches legt fest, „der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten“. Schnell stellt sich die Frage nach Dübellöchern: Hier besteht nach den Worten des Anwaltes keine Schadenersatzpflicht des Mieters, wenn im Bad Fliesen im gebrauchsüblichen Umfang angebohrt wurden, um etwa den Spiegelschrank über dem Waschtisch aufhängen zu können und andere übliche Badmöbel. Ist der Mieter zu Schönheitsreparaturen verpflichtet, seien Dübellöcher zu verschließen. Den normalen Verschleiß bei normalem Gebrauch müsse der Vermieter erdulden. „Kleine Risse im Waschbecken oder Kratzer an der Außenseite der Wohnungstür fallen darunter.“

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Massiver Schimmel in einer Wohnung durch falsches Wohnverhalten: In diesem Fall wurde tropfnasse Wäsche in der Wohnung getrocknet. Das Gesundheitsamt ließ die Wohnung räumen, die Sanierung mit einem Aufwand von 28.000 Euro musste der Vermieter bezahlen.

Streitfälle gibt es viele: Der Jurist des Mietervereins berichtet von einer Geschichte, bei der nach mehreren Jahrzehnten das Dach eines Wohnblocks neu eingedeckt und eine Horizontaldämmung verlegt wurde. „Die Gesamtkosten von 150.000 Euro sollten mit einer 30-prozentigen Mieterhöhung die Bewohner tragen.“ Das sei nicht rechtens. Ein anderer Fall: Ein handwerklich begabter Mann investierte viel Zeit, Arbeit und Material in den Ausbau des Bades. Kaum waren die Arbeiten abgeschlossen, lag die Kündigung wegen Eigenbedarfs im Briefkasten. Der Heimwerker wollte natürlich seinen Aufwand belohnt haben. Ohne Erfolg. „Entweder muss ich einen langfristigen Mietvertrag haben, oder vorher eine entsprechende Vereinbarung treffen, denn die Rechtsprechung geht davon aus, der Mieter investiert in eigenem Interesse in fremdes Eigentum.“

Auch wenn die Miete nicht rechtzeitig oder gar nicht gezahlt wird, hängt der Haussegen schnell ganz schief, weiß Rechtsanwalt Klaus Martin. Er ist für den Verein Haus und Grund Coburg und Umgebung tätig. Wenn mit den Rückständen Kündigung und Räumungsklage folgen, kommt es zu einer Zwangsräumung mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers. „Ohne eine entsprechende Versicherung bleibt der Vermieter oft auf den Kosten sitzen.“ Dass Mietzahlungen ausbleiben, ist immer öfter der Fall. Eine Bonitätsauskunft über potenzielle Mieter sei hilfreich.

Häufig würden Wohnungen von Mietern beschädigt, vermüllt und verdreckt hinterlassen. „Einerseits stört es viele Menschen nicht, in einer schmutzigen Umgebung zu leben“, so Klaus Martin, „andererseits gibt es immer weniger emotionale Bindungen an eine Wohnung, weil die Menschen häufiger umziehen.“ Die Wohnung sei zu einem beliebigen Gebrauchsgut geworden.

Bei Schimmelbildung in der Wohnung werden zunehmend Sachverständige bemüht, um die Ursache zu klären. In der Vergangenheit seien in der Mehrzahl Baumängel dafür ausgemacht worden, „aber der Bundesgerichtshof hat entschieden, relevant sei der technische Standard der Bauzeit“.

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Bei der Wohnbau Stadt Coburg mit ihren rund 3000 Wohnungen sind es in der Regel Streitigkeiten von Mietern untereinander, so Stephanie Knorr von der Mieterbetreuung. Da gehe es um Verstöße gegen die Hausordnung, unterschiedliche Auffassungen von der Reinigung der allgemeinen Räume oder die Mülltrennung. Schnell eskalieren Generationenkonflikte oder zwischenmenschlicher Streit. „Auch in Coburg macht sich eine Entfremdung bemerkbar. Da kann es vorkommen, dass sich die Mieter eines Hauses auch nach Wochen und Monaten nicht kennen.“ Dagegen versucht die Wohnbau mit Mieterfesten anzugehen. Gegenseitiges Kennenlernen und Gespräche oder die Aktion „Helden im Alltag“ in einem Wohnblock seien die beste Möglichkeit, Streit in einem Haus zu vermeiden.

In dem Fall der Wohnung im Landkreis Coburg hieß es damals in dem Gutachten, „die Vermutung liegt nahe, dass während der kalten und nassen Wintermonate u. a. Wäsche in der Wohnung getrocknet wurde. Die Freisetzung von Pilzbestandteilen sollte unmittelbar (…) und die Ursache kurzfristig unterbunden werden“. An den Sanierungskosten beteiligte sich das Jobcenter, das die Wohnungsmiete bezahlt, nicht. Wenn der Schimmel richtig blüht, können sich die Sporen im ganzen Gebäude verteilen. Stellungnahmen des Gesundheitsamtes in solchen Fällen haben in der Regel stets denselben Tenor: Der Schimmel sei gesundheitsschädlich und müsse entfernt werden. Dafür steht der Vermieter in der Haftung, denn er muss eine Gesundheitsgefährdung ausschließen. Entfernt und ersetzt wurden in allen Räumen der verschimmelte Wandverputz und auch das Parkett musste abgeschliffen und aufgearbeitet werden. Die junge Familie hatte zuvor auf Anordnung des Gesundheitsamtes die Wohnung räumen müssen. Die Gefahr für die Gesundheit, besonders die der Kinder, war zu groß. Der Vermieter konnte zwar nachweisen, dass falsches Verhalten für den massiven Schimmelbefall der Wohnung verantwortlich war, die 28.000 Euro für die Sanierung aber musste er selbst aufbringen.

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